Küchengespräche im fünfzigsten Stock

The Address Downtown Dubai hotel and residential block is seen engulfed by fire near the Burj Khalifa, the tallest building in the world, during the New Year celebrations in Dubai
The Address Downtown Dubai hotel and residential block is seen engulfed by fire near the Burj Khalifa, the tallest building in the world, during the New Year celebrations in Dubai(c) REUTERS (STRINGER)
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Das perfekte Dinner: Wer an einem Abend fünf der bekanntesten Küchenchefs Dubais besucht, speist nicht nur vorzüglich. Die kulinarische Überraschungstour verrät nebenbei auch einiges über das Leben im Übermorgenland.

Mit einem Tablett voller Gläser steht Tomas Reger, auch bekannt als Chef Tom, vor den Jumeirah Emirates Towers auf dem Gehsteig. „Nein, kein Alkohol auf Dubais Straßen“, beruhigt er. Sondern eine Erdbeer-Gazpacho aus Tomaten, Paprika, Fenchel, Erdbeeren, fermentiertem Knoblauch, Salz, Pfeffer und japanischem Pflaumenessig. Am Gaumen wirkt der rote Cocktail wie eine Geschmacksexplosion. Tomas Reger winkt seine Gäste in den Kleinbus, wo sie der zweite Gruß aus der Küche erwartet. „Den bereiten Sie selbst zu“, sagt er.
Auf jedem Sitz liegt ein Papiersackerl. Darin: zwei Cracker, eine Tube mit Karottencreme und ein Säckchen mit Pinienkernen und Fenchelsamen. Den Karotten hat Chef Tom Wasser entzogen und es durch Olivenöl ersetzt. „Ich liebe die einfachen Dinge und versuche, ihnen so viel Geschmack wie möglich zu entlocken.“

Von einem Chef zum nächsten

Der 1980 im tschechischen Kroměříž (Kremsier) geborene Reger lebt nach Lehrjahren in London seit sieben Jahren in den Emiraten. Seit vier Jahren arbeitet er freiberuflich, veranstaltet Koch-Events, gründete 2012 in Beirut das mobile Restaurant The Junkyard und organisiert für den Erlebnisveranstalter Lime & Tonic kulinarische Trips durch Dubai, Überraschungen inklusive. So wissen die Gäste auch bei der Tour „From one chef to another“ nicht, welche Stationen auf dem Programm stehen. Nur dies verrät Chef Tom: „Wir gehen in meine Lieblingsrestaurants, in denen meine Freunde kochen.“
Darren Velvick ist einer von ihnen. Er steht im nur von Kerzen beleuchteten Restaurant Table Nine im Hilton Dubai Creek und begrüßt seine Gäste. Die Dunkelheit ist ihm wichtig: „In Dubai sind die Leute immer mit den Aussichten beschäftigt und bemerken das Essen kaum. Das ist frustrierend.“ Table Nine wird daher abends konsequent verdunkelt. Der 1974 geborene Engländer arbeitete 14 Jahre lang mit Gordon Ramsay und Marcus Wareing in Londoner Sterneküchen, bevor er Anfang 2014 die Leitung des Fine-Dining-Lokals des Hilton Dubai Creek übernahm.
Heute hat er zwei Vorspeisen vorbereitet: Schnecken auf einer Creme aus Pilzen und Petersilie mit Röstzwiebeln – „Ich weiß, Schnecken liebt nicht jeder, doch probieren Sie einfach mal“ –, gefolgt von rohem Thunfisch mit Avocadopüree, hauchdünnen Radieschenscheiben, schwarzem Pfeffer und Koriander.

Reh mit Gemüsecurry

„Ich vergleiche Essen gern mit Musik“, erklärt Tom. Im indischen Restaurant Mint Leaf im 15. Stockwerk der Emirates Financial Towers kreiert der Inder Vivek Kashivale einen Hauptgang in Allegro fürs ganze Orchester. Im Mittelpunkt steht Reh. Begleitet wird es von einem Gemüsecurry aus Broccoli und Zucchini, gewürztem Reis sowie Fladenbrot mit süßem Chili und Knoblauch. Vor den Fenstern sticht hinter der Sheik Zayed Road die absurd hohe Nadel des Burj Khalifa in den Nachthimmel, die lang gestreckte Bar mit Terrasse gleich neben dem Restaurant sorgt mit westlicher Musik, indischen Untertönen und Besuchern mit und ohne Schleier für die dubaitypische Unbestimmbarkeit des Ortes – und für ein zunehmendes Vibrieren der Atmosphäre. Es ist Samstagabend, was hier am Golf bedeutet, dass anderntags die Arbeitswoche beginnt. Trotzdem sind die Restaurants voll.

Auch in der Bar des Restaurants Hakkasan herrscht Finsternis. Seit seiner Eröffnung Ende 2011 ist Hakkasan Dubai die erste Adresse für moderne kantonesische Küche in der Stadt. Ein kräftiger Cocktail mit hohem Korianderanteil soll an der Bar zunächst den Magen für den nächsten Gang klären. Andy Toh Chye Siong, der chinesische Küchenchef des Hauses aus Malaysia, lädt zur Besichtigung seiner Wirkungsstätte. Der 42-Jährige aus Penang hat in Singapur, Thailand, Taiwan und Hongkong gekocht und auf dieser Route zahlreiche Auszeichnungen eingesammelt. So groß und betriebig die Küche ist, in der er und sein Team ihre legendäre Pekingente zubereiten, so friedlich ist es auf der üppig begrünten Terrasse, wo die Gäste sie zu sich nehmen. Die Haut knusperig, das Fleisch überaus zart – zusammen mit dem Gemüse und einem fabelhaften Dim Sum stellt die Ente die Gäste nur vor das Problem, wie sie all diese Köstlichkeiten noch bewältigen sollen.

Ein letztes Mal bugsiert Tom seine Gäste in einen Aufzug, wiederum einen der Jumeirah Emirates Towers. Das Dessert hat Tomas einem Italiener überlassen: Claudio Melis, ein gebürtiger Sarde, hat als Küchenchef des Restaurants Alta Badia und nach Stationen in einem mit drei Michelin-Sternen und zwei mit einem Michelin-Stern dekorierten Häusern in Italien eindrucksvoll Karriere gemacht und vermag die Aufmerksamkeit einer Gruppe weinseliger und leicht übersättigter Europäer leicht zu fesseln. Wiewohl er auch mit der Aussicht aus dem 50. Stockwerk ernsthafte Konkurrenz hat. Doch sein geeistes weißes Mousse au Chocolat mit Mangosauce und frischen Himbeeren beweist, dass immer noch ein wenig geht.

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