Portugals wilder, weißer Westen

(c) Wikipedia/Nicolás Pérez
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An der Algarve blühen von Januar bis März die Mandelbäume, ihre Blüten verwandeln die Felsküste jetzt in eine schneeweiße Landschaft. Ein Hauch von Frühling ist bereits zu spüren.

Endlich Wärme! Gilda freute sich, dem eisigen Norden zu entkommen und zog an die Algarve, zum damals hier herrschenden maurischen Emir Ibn Almundim, der um ihre Hand angehalten hatte. Doch schon bald nach der Hochzeit wurde die junge Schwedin schwermütig, ihr Mann und Verehrer ratlos. Was fehlte seiner Frau nur? „Der Schnee aus ihrer Heimat“, raunte schließlich eine ihrer Kammerzofen. Im darauffolgenden Winter führte der Emir seine betrübte Gilda auf den höchsten Turm seiner Burg, ließ sie übers Land schauen. Es war weiß bis zum Horizont. „Das ist der Schnee der Algarve“, sprach der Emir zu seiner Gattin und lüftete das Geheimnis: Er hatte, so die Legende, tausende Mandelbäume pflanzen lassen.

Ihre Blüten bedecken bis heute jedes Jahr von Januar bis März den ganzen Südwestzipfel Portugals und bieten Algarve-Besuchern bereits einen Hauch von wohlig-warmem Frühling. Eine Schiffsrundfahrt in Lagos ist jetzt ein Sonnentörn: „Willkommen in der Küche, schauen Sie, hier nebenan das Wohnzimmer und dort die Kathedrale“, schwärmt Joao. Er ist weder Makler noch Stadtführer, sondern Außenbord-Jongleur. So jedenfalls fühlt es sich an, wenn er seine vier Gäste in einer Nussschale durch wogende Wellen in immer neue, immer engere Felsgrotten manövriert und diese dabei vorstellt wie Räume eines Hauses.

Die bis zu 20 Meter hohen Kalksteinwände sind mal beige, mal rostbraun, überall löchrig und schroff modelliert von Atlantikwind und Salzwasser. Ponte da Piedade heißt dieses Labyrinth an der Südspitze der Stadt Lagos. Ein Naturwunder – und Demarkationslinie zwischen verbauter und verschonter Algarve: Östlich der Ponte sind viele Küstenhänge überwuchert mit Apartment- und Hotelblöcken der Marke Urlauberschließfach, Ex-Fischerhäfen sehen hier aus wie Open-Air-Messen für Luxusjachten. Westlich der Ponte hingegen dösen Dörfer vor sich hin wie eh und je.

Strandbar als Theaterloge

Burgau etwa: Keine Zeile im Reiseführer, darum auch keine Touristenkaravanen in den engen Gassen mit blau-weißen Häusern. So können Burgaus Einwohner ohne Klaugefahr ihr Gemüse in ausrangierten Badewannen am Wegesrand anbauen. Bunte, leicht verwitterte Fischerboote sind hier keine Postkarten-Deko, sondern immer noch Dienstfahrzeuge. Vormittags kommen die Männer darin heim, nicht selten begrüßt von vier Generationen: Oma, Eltern, Ehefrau und Kinder. All das lässt sich wie in einer Theaterloge beobachten von der Veranda der Strandbar Brizze, mit einem Galao in der Hand, dem portugiesischen Milchkaffee.

Abseits der Algarve-Autobahn geht's über kurvige Dorfstraßen hinein in den Nationalpark Costa Vicentina. Er umfasst über hundert Kilometer portugiesische Westküste und ist quasi ihre Lebensversicherung: Wilder Dünenbewuchs mit Wacholderbüschen und Mastixsträuchern bleibt erhalten, allenfalls schmale Wege führen zu den Stränden, für Hotelanlagen gilt Bauverbot. Wirklich? Wie kommt dann Martinhal, ein Luxus-Ferienresort mit den Ausmaßen von etwa 50 Fußballfeldern auf die lieblichen Hügel über der 900 Meter langen Traumbucht am Hafen des Städtchens Sagres? „Die Baugenehmigung ist älter als das Naturschutzgebiet“, sagt Roman Stern.

Landsegeln mit Beckenbauer

Doch das ist nicht der einzige Grund. Der Schweizer Unternehmer hat ein 38-Zimmer-Hotel umrahmt von 132 maximal zweistöckigen kubischen Design-Ferienhäusern so geschickt in die Felsenlandschaft mit Agaven, Gräsern und Mimosen eingepasst, dass sie weder aus der Ferne noch mittendrin wie Bettenburgen wirken. Eine auf Familien zielende Oase, elegant eingerichtet mit Kork und Schilf, Fliesen und Holz sowie anderen Baustoffen aus dem Nationalpark.

So wie Roman Stern, einst Investmentbanker in London, zieht die West-Algarve viele Besucher dermaßen in ihren Bann, dass sie bald wiederkommen und gleich dableiben. Und sei es auf der tennisplatzroten Erde einer kahlen Wiese an der Nationalstraße 125. Ein klappriges Wohnmobil, ein Container und zwei Bierzeltbänke – so sieht Julia Beckenbauers Firmengründung aus. Beckenbauer? Ja, genau, sie ist die Nichte von Kaiser Franz. Statt ihr Forstwirtschaftsstudium zum Beruf zu machen, findet sie es spannender, Menschen das Landsegeln beizubringen. Ein überdimensionales Dreirad mit aufgeflanschtem Surfsegel in der Mitte, einen Blaumann gegen den Staub, Helm und fünf Minuten Fahrstunde – mehr braucht man nicht, um angetrieben von mäßiger Brise über den Rundparcours zu sausen. „Genau diesen schnellen Erfolg meiner Gäste mag ich an diesem Job“, sagt Julia, „und dass es hier fast jeden Tag lustige Geschichten gibt.“ Neulich nahmen Eltern ihr Baby auf dem Schoß ein paar Runden lang mit, bis es vom gleichmäßigen Schlagloch-Gerumpel eingeschlafen war. Danach starteten Mama und Papa allein durch.

An den Stränden der Westalgarve kann man leider nicht mit den Landseglern fahren, zu eng sind die Buchten. Dafür aber so traumhaft schön und ideal zum Surfen, dass ganze Kolonien von Brettl-Freaks hier als sandpanierte Neopren-Nomaden leben. Sven Engelmann tauschte seine Krankenpfleger-Sicherheit in Landshut gegen das VW-Bus-Abenteuer mit Matratze, Hund und Zweiplatten-Herd. Eng, aber doch voller Weite. Denn jeden Morgen wird die Windschutzscheibe zur Kinoleinwand für einen atemberaubenden Naturfilm: Wellen, die auf den Strand schlagen, über den Klippen kreisende Störche, der azurblaue Himmel und das türkisfarbene Wasser. Carrapateira, Amado oder Beliche – wer diese Strände ansteuert, der spürt, hier könnte ein Magnetfeld sein, das zum Hierbleiben drängt. Sven Engelmann ist ihm erst nach anderthalb Jahren entkommen, aber nur einige Kilometer weit bis nach Sagres, wo er die Surferbar Warung eröffnet hat, ein paar Häuser neben „Aussteiger-Veteran“ Andreas Bergmann. Er tauschte bereits 1985 sein Maschinenbaustudium gegen die Taverne des alten Dorforiginals Borba und baute sie zur Bar Dromedario um, heute der In-Treffpunkt in Sagres schlechthin.

Vielleicht zieht die Pioniertradition dieser Kleinstadt so viele Abenteurer an: Von Sagres aus brachen portugiesische Seefahrer im 15. Jahrhundert auf, weit in den Atlantik vorzustoßen und schließlich Brasilien zu erobern. Ausgangspunkt vieler dieser Expeditionen: das Cabo de São Vicente, der südwestlichste Punkt Europas – schon aus diesem Grund ein Pilgerort für Westalgarve-Besucher.

MANDELBLÜTEN & FISCH

Anreise: Z. B. Wien-Faro-Wien ab 134 Euro mit Niki. Dann weiter per Bus oder Mietwagen ca. eine Stunde Fahrt nach Sagres.

Übernachten: Martinhal Resort, zwei Ü/F für zwei Erwachsene und ein Kind (0– 2 Jahre) inkl. einmal Spa, Babysitting und ein Abendessen im Luxusrestaurant ab ca. 500 Euro. +351/282/240 200, martinhal.com.

Das neue Boutique-Hotel Mareta Beach in Sagres bietet helle DZ ab 48 Euro mit Frühstück. +351/282/620 040, maretabeachhotel.com.

Essen und Trinken: Wer guten Fisch schätzt, der ist in den „Garagen“ im Jachthafen von Lagos richtig. Dort, wo Fischer ihre Netze und Utensilien lagern, haben sie Garagen zu kleinen Bistros ausgebaut, so wie das Traquinas in der Rua Acores 9.

In Andreas Bergmanns Bar Dromedario in Sagres gibt es Snacks, Cocktails und frisch gepresste Säfte, in seiner Pizzeria Bossa Nova Riesenpizzen. dromedariosagres.com.

Infos: visitportugal.com; visitalgarve.pt.

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