Der »Frankenfisch« wütet an der US-Ostküste

Vor mehr als einem Jahrzehnt fiel der robuste und gefräßige asiatische Schlangenkopffisch in den Gewässern rund um die Chesapeake Bay ein. Nun mehren sich Anzeichen, dass er gefährliche Krankheiten verbreitet.

Vor 14 Jahren machte ein Hobbyfischer in einem Teich hinter einem Einkaufszentrum im US-Staat Maryland eine beunruhigende Entdeckung: An seinem Haken zappelte ein fast halbmeterlanger, schlangenartiger Fisch, der ein bisschen an eine Muräne erinnerte.

Er fotografiert das Tier, warf es ins Wasser zurück und schickte das Bild der Umweltbehörde Marylands. Dort war man ebenfalls ratlos und konsultierte einen auswärtigen Fachmann. Dessen Befund: Channa argus, ein Vertreter der barschartigen Gruppe der Schlangenkopffische, eigentlich in China, dem Fernen Osten Russlands und Korea beheimatet. Als ein zweiter Angler ebenfalls einen Snakehead aus dem Teich zog, machte die Umweltbehörde Tabula rasa: Mit dem Pestizid Rotenon tötete sie alle Fische im Teich und kescherte sechs ausgewachsene sowie rund 1000 junge Schlangenköpfe aus dem Wasser.

Doch die Invasion des unerwünschten Eindringlings aus Asien war unaufhaltsam. Heute ist der Schlangenkopffisch in mehr als 90 Kilometern des Potomac-Flusses ansässig, der in West Virginia entspringt und sich rund 600 Kilometer später, nachdem er an der Hauptstadt Washington vorbeigeströmt ist, in die Chesapeake-Bucht ergießt, die größte Flussmündung der USA. Auch in zahlreichen Nebenflüssen in Maryland und Virginia pflanzt er sich bereits fort und macht dem bisherigen wichtigsten Raubfisch dort, dem Forellenbarsch, die Position in der Nahrungspyramide streitig.

Bakterienbefall.
Das wäre an sich zwar für Sportangler ärgerlich, deren Vorgänger den Forellenbarsch Ende des 19. Jahrhunderts in den Gewässern um Washington einführten. Doch regelmäßiges Wettfischen scheint dessen Bestände zumindest konstant zu halten. Eine Gefährdung der Bestände von Marylands berühmtestem Schalentier, der Blaukrabbe, ist bisher nicht nachgewiesen worden.

Doch nun könnte der Schlangenkopf vom bloßen Ärgernis zur echten Gefahr für das Ökosystem der Chesapeake-Bucht und ihrer Zuflüsse werden. Im Oktober vorigen Jahres gab die United States Geological Survey, die wichtigste Kartografiebehörde der USA, bekannt, dass mehrere Snakeheads aus dem Bereich des Potomac südlich von Washington mit jener Sorte eines Mycobakteriums befallen waren, das zahlreiche chronische Erkrankungen bei Tieren verursachen kann. Ob – und falls ja – wie dieser Erreger vom Schlangenkopffisch auf andere Arten übergreifen kann und möglicherweise auch Menschen gefährdet, sei derzeit nicht bekannt, teilte die Behörde mit.

Eine Geschmackssache.
Der Schlangenkopffisch kam ursprünglich seines Geschmacks wegen von Asien nach Amerika. In vielen fernöstlichen Nationalküchen ist er beliebt, bei asiatischen Fischhändlern in New York und anderen Großstädten konnte man ihn lang kaufen. Paradoxerweise dürfte das US-weite Verbot der Haltung von Snakeheads, das im Zuge der Entdeckung im Teich von Maryland anno 2002 ausgesprochen wurde, die Verbreitung dieser Art beschleunigt haben: Verunsicherte Schlangenkopf-Besitzer dürften ihre Fische daraufhin erst recht in den nächsten Teich, Bach oder Fluss gekippt haben. Dort vermehren sie sich prächtig – vor allem deshalb, weil sie auch schwach salzhaltiges Wasser ertragen und atmosphärische Luft atmen können. Das hilft ihnen in ihrer asiatischen Heimat, Trockenzeiten zu überstehen. „Ich habe welche nach drei Tagen im Kühlschrank lebendig vorgefunden“, sagte der Wildbiologe Joseph Love von der Umweltbehörde Marylands im März zum „National Geographic Magazine“.

Ein Atout ist im Kampf gegen diese invasive Art hilfreich: Das Fleisch des wegen seiner Unverwüstlichkeit „Frankenfisch“ genannten Tiers ist vorzüglich und kann sich mit jenem von Tilapia oder Dorsch messen – frittiert oder, wie von der „Presse am Sonntag“ im laotischen Restaurant Thip Khao in Washington getestet, in einem Bananenblatt gedünstet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2016)

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