Uckermark: Paddeln im Morgennebel

Impression aus der Uckermark
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Deutschland I. Die Uckermark ist ein menschenleerer Landstrich – doch genau das macht sie so reizvoll für Naturfreunde. Zu sehen bekommt man unter anderem den Fischadler.

Habt ihr den gesehen? Das war ein Fischadler! Wenn der im Sturzflug ins Wasser eintaucht, kann er sogar seine Nasenlöcher verschließen!“ Marcus Thum ist stolz, den Gästen auf seinem Floß die Natur der Uckermark näherzubringen. Der Fischadler gehört zu den Vögeln, die gefährdet sind und kurz vor der Ausrottung stehen. In der Uckermark im Nordwesten von Berlin gibt es noch gute Bestände dieses Riesenvogels, so auch am Oberpfuhlsee. Dort hat Thum seine Floßstation „Treibholz“ aufgebaut, mittlerweile sind es drei große Flöße, mit denen er Gäste über die Seen schippert. Und die gibt es hier zuhauf: Allein das Dorf Lychen hatt sechs Seen. Die Uckermark im Nordwesten von Berlin zählt 230 davon, die meisten von ihnen idyllisch von Wald umgeben, wobei einige Sichttiefen von bis zu acht Metern haben. Neben dem Fischadler gibt auch noch Kraniche, Eisvögel, Biber, Sumpfschildkröten, Schwarzstörche und Fischotter zu sehen, man muss sich nicht einmal anstrengen.

Musikalische Floßfahrten

Die Flößerei hat in Lychen Tradition: Seit 1720 arbeiteten hier Flößer, die Holztransporte bis nach Berlin oder Hamburg machten. In den 1970er-Jahren war damit Schluss. 1997 wurde aber der Verein der Lychener Flößer gegründet, man baute ein Flößereimuseum und feiert seitdem jedes Jahr das Flößerfest. Der Flößerhafen in Lychen heißt wie eh und je Floßablage. Da die Gegend abgelegen ist und es mittlerweile Hunderte von Flößen in Brandenburg gibt, hat Thum sich etwas Neues einfallen lassen: „Jeden Mittwoch im Sommer starten wir ein Musikfloß, dann spielen Gruppen wie der Akkordeonvirtuose Tobias Morgenstern, die Reggae-Band Looney Roots oder die Vokalisten Five Gentlemen.“ Inklusive der Floßfahrt kostet dieses Erlebnis pro Person 30 Euro, die Plätze sind allerdings begrenzt.

Sonst ist Lychen ein verschlafenes Dorf, viel zu sehen gibt es nicht. Dies will der Lychener Roland Resch, ehemaliger Sprecher der Grünen in Brandenburg, schleunigst ändern. Die riesige Mühle des Ortes, die abgerissen werden sollte, baut er gerade eigenhändig aus und will ein Begegnungszentrum für Kanuten und Radfahrer schaffen. Das Dach ist schon neu gedeckt, und eine Trasse für Kanuten durch die Mühle hindurch ist auch im Bau. Seine Partnerin, die Fernsehmoderatorin Carla Kniestedt, ist die Gastgeberin der Mühlenwirtschaft, eines guten, bodenständigen Cafés in der alten Mühle. Die beiden wissen allerdings lange Geschichten zu erzählen, wie sie den Landkreisbeamten ihr Vorhaben zwecks Förderung schmackhaft zu machen versuchten.

Stille als Attraktion

Die Uckermark, so erfährt man am Kaffeetisch, ist das am wenigsten besiedelte Gebiet Deutschlands. Auf 3000 Quadratkilometer kommen hier nur 120.000 Menschen. Zwei Drittel sind Ackerfläche, doch die Böden sind meist karg und nur gut genug für Futtergetreide. So bleibt den Tourismusverantwortlichen nur übrig, Werbung mit dem Nichtvorhandensein von Attraktionen zu machen. „Hier tanke ich Stille“, verspricht der Prospekt des Reiselandes Brandenburg, auf dem Jana Thum fotogen im Morgennebel auf einem See paddelt. Außerdem werden der „freie Blick bis zum Horizont, frische Luft und ganz viel Wasser“ in die Waagschale geworfen.

Ein weiterer Werbeträger könnte die Kanzlerin sein, die ja bekanntlich auch aus der Uckermark stammt. In Hohenwalde hat sie eine Datsche, Horst Köhler soll mit ihr schon einmal benachbarten See baden gewesen sein. In ihrer Datsche, die von der Polizei bewacht wird, kocht sie angeblich Rouladen und Fisch und backt Apfelkuchen. Vor dem Haus in Templin, wo sie aufgewachsen ist, halten manchmal Touristenbusse.

In Alt-Placht, einem Nest bei Templin, hat der Vater von Angela Merkel eine gute Tat für die Uckermark vollbracht. Am Waldrand steht, umgeben von 500 Jahre alten Linden, eine kleine Fachwerkkirche. 1700 wurde sie erbaut, und 1970 war sie einem so desolaten Zustand, dass sie abgerissen werden sollte. Zum Glück fehlte das Geld dazu. Pfarrer Horst Kasner, Merkels Vater, ist der Vorsitzende des Fördervereins, der das alte Kirchlein wieder piekfein restauriert und auch eine Orgel eingebaut hat. Die Schlichtheit des Kirchenraumes macht seine Poesie aus, hier kommen Menschen von selbst zur Ruhe.

Kulinarische Entdeckungen

Die meisten Hotels und Pensionen der Uckermark befinden sich auf einem eher einfachen Niveau. Heraus sticht das Seehotel Lindenhof, das idyllisch auf einer Halbinsel im Wurlsee liegt. Das Hotel verfügt nicht nur über einen eigenen Badestrand mit grüner Liegewiese, sondern auch über ein Spa und natürlich einen Bootssteg. Auch ein kleines Wäldchen, ein Hügel und eine Obstwiese haben auf der Halbinsel Platz. Und vor dem Hotel steht wie ein Denkmal eine Riesen-Reißzwecke. Sie ist dem Erfinder der Pinne, dem Uhrmacher Johann Kirsten aus Lychen, gewidmet, der sie 1902 erfand.

Für ein gutes Mittagessen empfiehlt Thum das Restaurant Zum Grünen Baum, es liegt im nahen Boitzenburg. Die Betreiber sind Neu-Uckermärker, aus Berlin ausgewandert. Man sollte sich dabei nicht vom äußeren Anschein täuschen lassen: Der vordere Teil des alten Gasthauses ist noch verfallen, doch in den renovierten Räumen dahinter tischen die Chefköche Köstlichkeiten über Köstlichkeiten wie Spargel-Hamburger oder Lavendel-Pannacotta auf. Der ehemalige Dorfkonsum gleich nebenan dient jetzt als Veranstaltungszentrum.

Noch frischere Speisen erhält man, wenn man mit Ulrike Dittmann auf Wanderschaft geht. Pratensis heißt ihr Unternehmen, sie zeigt ihren Gästen, wo man Kräuter in der Natur findet. Im Mai ist der Giersch, ein Wildspinat, leicht zu finden. Der selbst angerührte Kräuterquark im Anschluss, mit frisch gebackenem Brot, schmeckt unvergleichlich.

www.uckermarksafari.de

Buchtipp

Joachim Nölte: "Uckermark. Ein Wegbegleiter", Edition Terra, 14,80 €

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2016)

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