Côte d'Azur: Spirituelle Einkehr, kultureller Ausdruck

Am Strand von Nizza
Am Strand von NizzaReuters
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Das berühmte Südfrankreich hatte auch schon vor dem Terror seine Schattenseiten. Einige nicht ganz gewöhnliche Vorschläge von Nizza ost- und westwärts.

Südfrankreich ist für viele als Sehnsuchtsland ein Klassiker. Aber es gibt auch Nachteile: den hektischen Verkehr auf Autobahnen, ungeduldige, weil überforderte Bedienstete in der touristischen Infrastruktur, exorbitante Preise für mäßige Leistungen, auch in der Gastronomie dieser Hochburg des Kulinarischen. Und jetzt auch noch die Angst vor dem Terror. „Eine Wunde, die nicht heilt“, schrieb „Der Spiegel“ über ein Bild von der Promenade des Anglais in Nizza nach dem Terroranschlag am 14. Juli 2016, bei dem über 80 Menschen starben und 300 verletzt wurden. Gern werden jetzt Wahrscheinlichkeitsrechnungen angestellt, mit dem Ergebnis, wie selten Tod durch Terror ist. Das mutet freilich ziemlich zynisch an, nicht nur für die Opfer und ihre Angehörigen. Trotzdem bleiben Nizza und die Provence beliebte Reisedestinationen. Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch Orte wie Nizza oder Marseille reiste, spürte die großen sozialen Unterschiede und die Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen schon immer.

Nizza: Guter Ausgangspunkt

Kehren wir zu dem zurück, was bleibt: die Liebe zu dieser schönen Weltgegend. Viele versuchen, das Land zwischen Nizza und Marseille „auf die Schnelle“ zu bewältigen, weil sie zu wenig Zeit haben. In diesem Fall sollte man sich einen Ausschnitt aussuchen und dessen Erkundung vorher planen. Meer oder Berge? Das ist für viele Urlauber keine Frage: natürlich Meer. Weniger bekannt sind die hinreißenden Berglandschaften Südfrankreichs. Nizza – von Wien aus braucht man nur eindreiviertel Stunden mit dem Flugzeug – ist für viele Reisende das Tor zu Südfrankreich. Schon stellt sich die erste Qual der Wahl ein: Soll man sich Richtung Monte Carlo, Menton bewegen oder doch nach Westen wenden?

Menton: Baden im Oktober

Menton hat ein spezielles Mikroklima. Französische Pensionisten überwintern gern hier. Eben wegen dieser sind die Hotelpreise moderat, und das Menü (Voll- oder Halbpension) ist meist hervorragend. Menton hat ein lebhaftes Stadtleben mit Einkaufsmöglichkeiten, schönen Kirchen und einem Karneval mit Zitronenfest im Februar. Der öffentliche Strand ist steinig, aber es gibt einen privaten Sandstrand, für den man eine kleine Gebühr bezahlt. Mit Glück kann man an der Côte d'Azur noch Ende Oktober baden, vor allem, wenn man nicht zu kälteempfindlich ist. Tagsüber bleibt zumindest die Luft sommerlich warm. Gut kann man von Menton aus Ausflüge nach Italien machen. Ein Mietwagen erweist sich als praktisch, wenn man herumreisen will, allerdings hat Südfrankreich ein sehr gutes System öffentlicher Verkehrsmittel (Busse, Bahn). Die Bahn bietet wegen der Staus eine echte Alternative.

Gen Westen: Jazz und Festivals

Von Nizza westwärts liegen an der Küste viele berühmte Orte: Antibes, Juan-les-Pins, Cannes oder Saint-Tropez. Im Sommer läuft in Südfrankreich eine Reihe von Festivals: Das berühmteste ist natürlich das in seiner Vielfalt wahrhaft wunderbare Theaterfest in Avignon, kombinierbar mit der Oper von Aix oder Orange; von Nizza ist diese Kulturbastion jedoch etwas weit weg. Näher gelegen bietet sich hingegen das „Jazz à Juan“ in Juan-les-Pins an. In Antibes lohnt der Besuch im Picasso-Museum, eine eigene Homepage führt zu den zahlreichen Picasso-Gedenkstätten des Südens. Cannes sollte man während der Filmfestspiele auf jeden Fall meiden, wenn man nicht vom Fach ist. Abseits davon wirkt die Stadt sehr hübsch – mit superfeinen Hotels, ebensolchen Restaurants, alter Bausubstanz und einem ethnologischen Museum auf dem früheren Festungshügel.

Île Saint-Honorat: Eine Enklave

Eine weniger geläufige Attraktion der Gegend ist das Spirituelle. Cannes vorgelagert liegt die Île Saint-Honorat, ein Zisterzienser-Kloster mit Restaurant, in dem die Mönche selbst gemachten Wein und Likör anbieten. Das erste Kloster existierte hier bereits 400/410, gegründet von Honoratus von Arles, der als Einsiedler leben wollte, jedoch schnell viele Anhänger fand. Dass es heute, nur wenig abseits vom Trubel in Cannes, eine solche Enklave gibt, erstaunt. Für die Mönche war das Leben hier in früheren Zeiten gefahrvoll, waren sie doch oft von Invasoren und Piraten bedroht.

Le Thoronet: Große Aura

Ebenfalls ein Zisterzienser-Kloster war die Abtei Le Thoronet, eine Stunde entfernt von Nizza in westlicher Richtung in den Bergen. Die monumentale Anlage verstrahlt eine große Aura, die, wie es in Frankreich beliebt ist, mit Musik und Beleuchtung entsprechend inszeniert wird. Sie liegt im Hinterland des Département Var und ist trotz dieser vage erscheinenden Ortsangabe leicht zu finden, weil der Weg von der Autobahn weg gut ausgeschildert ist. Was eine der sympathischen Eigenschaften der Franzosen ist: Sie lassen die Touristen nicht dumm sterben. Man kommt auch ohne Karte und Navi gut voran. Allerdings im Hinterland nicht schnell, die Straßen sind schmal, es erweist sich als nützlich, das Tagesprogramm auf die Qualität der Wege abzustimmen, die man zurücklegen will. Übrigens gibt es in den Bergen entzückende und weniger kostspielige Quartiere, manchem aber vielleicht zu einsam.

Mougins: Fein golfen, fein essen

Kein Geheimtipp und auch keine Attraktion, an die man in Südfrankreich primär denkt, sind die Golfplätze. Mougins hat einen der exklusivsten Klubs, der dank eines österreichischen Ex-Bankers breite Bekanntheit erlangte. Weniger bekannt ist das bezaubernde Château de la Bégude, ein Steinbau inmitten betörender Landschaft. Außer Golf gibt es ein Restaurant, ein Schwimmbad und einen Tennisplatz. Hier schmeckt das Essen wirklich wie vom Haubenkoch. Und das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.

Zum Diner: Tisch ab 20 Uhr

Wobei das zeremoniöse Essen nicht jedermanns Sache ist. Einerseits will jeder schlank bleiben, andererseits tafeln Franzosen am liebsten nach 20 Uhr. Allerdings hat sich die französische Küche stark verändert, ist leichter geworden, gleichzeitig sind die hervorragenden Zutaten geblieben.
Wer Südfrankreich für den gehobenen Geschmack erkunden will, muss, da darf man sich nicht betrügen, eine sehr dicke Brieftasche haben. Hotels kosten schnell ein paar Hundert oder gar Tausend Euro, gut essen zu gehen ist weit kostspieliger als bei uns. Mit einer Ferienwohnung oder einem Bed and Breakfast ist man günstiger dran: vor allem bei einem Aufenthalt in der Nebensaison. Wer sich gezielt abseits der Strände und der „Trampelpfade“ aufhalten möchte, der sollte nicht auf die Nationalparks vergessen. Der Süden hat eine Reihe von ausgedehnten Naturschutzgebieten.

Wie, wo und wohin?

Übernachten: Cannes ist ein Zentrum luxuriöser Hotellerie. Davon zeugen das Carlton Intercontinental, das Majestic Barriere oder das Martinez. In Frankreich zahlt man nicht pro Person, sondern meist pro Zimmer. Die Raten sind oft astronomisch. Außerdem muss man aufpassen, welche Zimmerkategorie man bekommt: Zwischen nobler Besenkammer und Suite ist noch einmal ein Riesenunterschied, nicht nur preislich.

Auf dem Gelände eines ehemaligen Klosters steht das heutige Radisson Blu Cannes, ein ruhiger, öffentlicher Strand befindet sich gleich gegenüber. Von der Dachterrasse hat man einen spektakulären Blick über Cannes, auf Jachthafen und Thalassozentrum. Das Chateau de la Bégude hat 28 Zimmer; es empfiehlt sich, nach einem neu renovierten zu fragen. www.radissonblu.com, www.chateau-begude.com

Tafeln: Gegenüber dem Carlton, an der Croisette, liegt das Restaurant Rado, das auch von Einheimischen gern besucht wird. Das Rado hat eine ausgezeichnete Küche (Fisch), vom Restaurant kann man direkt an den Strand gehen.

Tipp: Niemals mit Badehose ins Restaurant gehen, das ist in Frankreich total verpönt. Und: Zu Menüs greifen, denn erstens sind sie frisch und zweitens moderat im Preis.

Anreise: Fly Niki hat viele verschiedene Tarife und günstige Angebote, auch samt Hotelaufenthalt. Diese Arrangements empfehlen sich durchaus, weil bei Individualreisen die Hotelpreise erheblich teurer sein können. www.flyniki.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2016)

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