Zwischen Fischmarkt und Wüstenrestaurant: Auf der Suche nach Spuren ursprünglichen Lebens an der Stelle des heutigen Dubai.
Vom Helikopter wird man deutlich sanfter abgesetzt als von einem Kamel. Ein Kamel – stets mit einer nonchalanten Gleichgültigkeit um die Schnauze, die weniger auf ein unfreundliches Wesen denn auf jahrelange Routine schließen lässt – sinkt urplötzlich nieder; der kurzfristige Besitzer bleibt mitsamt seiner von der frühabendlichen Wüstenweitläufigkeit eingelullten Eingeweide für einen Moment in der Luft hängen, Erinnerungen an Flugzeugturbulenzen werden akut.
Solchen Gefühlen setzt einen indes der Helikopter nicht aus. Der Rundflug, den man – wie auch das Kamelaufsitzen – etwa bei Arabian Adventures buchen kann, einem Unternehmen der Emirates Group, startet am eigens aufgeschütteten Abflugpunkt am Westufer des Dubai Creek. Dieser Meeresarm, der vom Persischen Golf kommend die Stadt teilt, ist – ein Wunder in dieser künstlichen Welt, in der man in baulicher Hinsicht Superlativ an Superlativ reiht – tatsächlich natürlich. Bald ist der goldene Medusenkopf im Pool des Palazzo Versace von hoch oben zu sehen. Das riesige Hotel des nicht gerade für formale Schlichtheit bekannten Konzerns, 2015 eröffnet, will eine authentische Mischung aus einem italienischen Palast aus dem 16. Jahrhundert und traditioneller arabischer Architektur sein, wovon etwa endloser violetter Teppichboden mit Giraffenprint zeugen soll. Der Palazzo Versace Dubai ist ein Beispiel für die relativ neue Strategie, bei der es nur darum geht, das Alte heraufzubeschwören, das hier in Dubai, dieser seit den 1960er-Jahren gewachsenen Stadt, eher in geringen Dosen zu finden ist.
Der Helikopter passiert nicht nur den Flughafen und das „alte“ Dubai mit dem Gewürzmarkt, sondern auch die künstliche Inselwelt The World und The Palm Jumeirah, auf dem weitläufige Luxuhotels wie das Waldorf Astoria zu finden sind. Er fliegt die Skyline entlang, und obwohl man sich schon in enormer Höhe wähnt, befindet man sich gerade einmal auf halber Höhe des 828 Meter hohen Burj Khalifa. Der Burj al Arab, 1999 erbaut, als Dubai noch weniger Tourismus- denn Businessdestination war, ist ebenso zu sehen wie das buchstäblich unübersehbare, weil gigantische Hotel Atlantis – gewissermaßen eine eigene Hotelstadt mit Rekordaquarium und 23 hauseigenen Restaurants, hinter denen internationale Kochkaliber wie Gordon Ramsay, Giorgio Locatelli und Nobu Matsuhisa stecken.
Man erspäht vom Hubschrauber aus außerdem die Baustelle des Dubai Frame, eines riesigen Bilderrahmens am Rand des Zabeel-Parks, der so positioniert wurde, dass er das alte Dubai mit dem neuen verbinden möge. 150 Meter hoch und 93 Meter breit, soll er von der einen Seite Blicke in Richtung neuer Wahrzeichen wie des Burj Khalifa und der Emirates Tower eröffnen und von der anderen Seite zu den älteren Stadtteilen wie Deira und Karama weisen. Die Fertigstellung dieses fast absurd erscheinenden Bauwerks mit seiner Aussichtsplattform wurde schon öfter verschoben, 2015 hätte es so weit sein sollen, derzeit hält man allerdings bei der Prognose Anfang 2017. Bis zur Expo 2020, auf die in Dubai derzeit viele Vorhaben ausgerichtet sind – etwa auch der erste Teil des gigantomanischen Einkaufszentrums Mall of the World –, dürfte man es geschafft haben, mittels der Durchblicke des Dubai Frame eine Verbindung zwischen den Jahrzehnten zu schlagen.
Wenige historische Bauwerke. Denn es sind Jahrzehnte, mit denen das Narrativ Dubais gemeinhin hantiert, nicht Jahrhunderte. Auch der deutsche Wikipedia-Eintrag Dubais kennt, im Gegensatz zu jenen von x-beliebigen Städten wie Wien, Tokio und Sydney, kein Kapitel, das sich „Geschichte“ nennt. Der Begriff Jahrhunderte ist noch am ehesten angebracht, wenn man vom Perlenhandel bis in die 1930er-Jahre spricht, unter den wenigen tatsächlich historischen Bauwerken das al-Fahidi-Fort erwähnt, das heute das Dubai-Museum beherbergt.
Oder wenn man vom Leben in der Wüste erzählt. Also etwa von einer ärmlichen Küche, die nichts mit dem Reichtum und der Üppigkeit der in vielen hiesigen Restaurants zitierten arabischen Küchen gemein hat. Nur Fisch, Datteln, Wild und Kamelmilch, erzählt etwa ein Guide, habe man hier in der Wüste und an der Wüstenküste selbst gehabt, weitere Lebensmittel mussten getauscht oder gekauft werden.
Fischmarkt als Abwechslung. Der quirlige Deira Fish Market, gleich bei der Metrostation Palm Deira, verweist auf die Bedeutung des Handels mit Fisch in der Region Dubai. Blaue Krabben, kleine Haie, Makrelenarten und Pinkohr-Straßenkehrer wechseln hier den Besitzer. In einem außerhalb der Halle gelegenen Restaurant kann man sich eben gekauften Fisch zubereiten lassen. Auch wenn an der Frische der Ware, die unzählige Händler vom indischen Subkontintent an weiß gefliesten Ständen feilbieten, nicht zu zweifeln ist, so ist an einem Ort des Fischeaufschlitzens und -ausnehmens doch nicht unbedingt alles sauber zu nennen. Was durchaus eine willkommene Abwechslung zum gleichsam schönheitsoperierten, aalglatten Antlitz ist, das Dubai seinen Besuchern sonst so präsentiert.
Welche Art von Wildes indes war, das den Bewohnern der Region früher als Nahrung gedient hat, wird auf dem Weg zum Al Maha Desert Resort klar, das an den Ausläufern
des Hadschar-Gebirges im Naturschutzgebiet Dubai Desert Conservation Resort liegt, eine knappe Autostunde von Dubai entfernt. Hier kümmert man sich nämlich nicht nur um Gäste, die auf der Terrasse des noblen Bungalowhotels Kamelmilchshakes zum Afternoon Tea schlürfen, sondern auch um die weiß-braunen arabischen Oryxantilopen, die fast ausgestorben waren, dank eingeführter Tiere aus den USA aber wieder zu einer Population von rund 500 Tieren angewachsen sind. Zu Gruppen zusammengekuschelt wachsen hier in der Wüste auch Khejribäume. Beduinen sind früher von Baumgruppe zu Baumgruppe gezogen, Tiere hatten zu fressen, auf diesem Weg sollen sich kleine Siedlungen gebildet haben.
Die Wüste hier nahe Dubai ist, auch wenn man sie als tote Zone einschätzen könnte, stiller Lebensraum zahlreicher Tiere: Wüstenfuchs, Skorpione, Spinnen – und es kann im Al Maha Desert Resort durchaus passieren, dass man beim Abendessen auf der Terrasse von zwei unverwandt aus dem Dunkeln leuchtenden Augen fixiert wird, die zu einer Antilope gehören, die keine zwei Meter entfernt verharrt.
Info
Anreise: Emirates fliegt zweimal täglich ab Wien, der Airbus A380 mit First, Business und Economy startet um 15.05 Uhr. Für First- und Businessgäste ist Chauffeurservice inkludiert. www.emirates.com
Helikopterausflüge, Kamelritte etc. bietet Arabian Adventures, www.arabian-adventures.com
In der Wüste übernachten oder essen: Al Maha Desert Resort. www.al-maha.com
Essen: Während für Einheimische Lieferservices boomen, was an den unzähligen Mopeds mit Kühlkiste abzulesen ist, gibt es auch eine riesige Auswahl an (Hotel-)Restaurants, hinter denen mitunter Spitzenköche stecken, etwa das Social bei Heinz Beck im Waldorf Astoria, das Nobu im Atlantis und ab 25. 11. das Dragonfly by Tim Raue.
Hinweis: Die Autorin wurde von Emirates eingeladen.