Designszene London: Das Beste ist nicht gut genug

Restaurant im South Place Hotel, das von Terrence Conran designt wurde.
Restaurant im South Place Hotel, das von Terrence Conran designt wurde.www.southplacehotel.com
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Die Kunst der Gestaltung prägt in der britischen Hauptstadt alles – vom U-Bahn-Ticket über das neue Design-Museum und das Viertel Shoreditch bis zur Gastronomie.

London. Oscar Wilde hätte seine Freude gehabt. Wenn am 24. November das Londoner Design-Museum im noblen Stadtteil Kensington eröffnet, dann wird das Motto des legendären Dichters in die Tat umgesetzt: „Ich habe einen ganz einfachen Geschmack: Ich bin immer mit dem Besten zufrieden.“ Von einem imposanten Neubau bis zur großzügigen Gestaltung der reichen Sammlung wird mit nichts geknausert. Zu Recht, denn immerhin sieht sich London als Welthauptstadt des Designs.

Tatsächlich ist die Kunst der Gestaltung in der britischen Hauptstadt allgegenwärtig und hat zur Entstehung vieler Kultsymbole von weltweitem Wiedererkennungswert gesorgt: London ist vielleicht die einzige Stadt, die aus einem reinen Nutzgegenstand wie der U-Bahn-Karte einen Verkaufsschlager gemacht hat, der Millionen Zimmerwände rund um den Globus ziert. Das Symbol für die Tube, ein Black Cab oder der Big Ben – all das sind international erkennbare Chiffren.

Sie wären nicht lesbar, könnte man nicht einen Bezug dazu herstellen. Dieser entsteht, weil Design in London nicht nur allgegenwärtig, sondern auch lebendig ist. Internationale Firmen von Nokia bis Samsung haben hier Studios, zugleich sind alle führenden britischen Designer von Terence Conran bis Thomas Heatherwick hier zu Hause. Designt wird buchstäblich alles, was gestaltet werden kann: von Papierwaren bis zu Möbeln, von Kleidern bis zu Industriewaren, von Lebensmitteln bis zu Einrichtungen.

Von fundamental bis banal

Was London zur Hauptstadt des Designs macht, ist das Zusammenspiel der Einflüsse: Alt trifft auf Neu, konservativ auf schrill und bodenständig auf zugewandert. Die ganze Stadt ist ein ständiges Kommen und Gehen. Deyan Sudjic, der Direktor des Design-Museums, bringt es auf den Punkt: „Londoner haben eine geteilte Identität, die auf einem komplexen Zusammenspiel gegenseitigen Verstehens beruht, das von tief sitzend und fundamental bis zu oberflächlich und banal reicht.“ Mit einfacheren Worten: Hier wird man entweder schizophren oder genial.
Eine Ahnung davon bekommt man etwa bei der Betrachtung der Alltagsgegenstände, die Sebastian Bergne gestaltet. Wer bisher gedacht hat, er wisse, wie eine Flasche aussieht, soll noch einmal schauen. Rupert Blanchard verwandelt im Trendbezirk Shoreditch alte Möbel in kleine Kunstwerke, während Esther Patterson bei der Schmuckgestaltung von „Alice im Wunderland“ inspiriert ist. Dort heißt es: „Das Unmögliche zu schaffen gelingt einem nur, wenn man es für möglich befindet.“

Ein Großmeister wie Terrence Conran hat seine Tätigkeit zu einem wahren Imperium ausgeweitet, nicht zuletzt im Bereich der Gastronomie. Hier setzen Hotels und Restaurants in einem brutalen Verdrängungswettbewerb auf Design als Alleinstellungsmerkmal. Das 2012 eröffnete South Place Hotel nahe dem Bahnhof Liverpool im Osten der Londoner City, das von Conran gestaltet wurde, ist eines von zahlreichen Beispielen. Mit schickem Design, aktiver Einbindung zeitgenössischer Kunst und einem Vollangebot, das vom Haubenrestaurant bis zum hochmodernen Fitnesscenter mit Aussicht reicht, wird um Kunden geworben.

Lisa Kendal vom South Palace Hotel sagt: „Wir setzten bewusst auf Zweitbesucher als Gäste, die schon einmal in London waren.“ Ab 275 Pfund pro Übernachtung ist man dabei. Ähnliche Designerhotels sind das Beaumont Hotel im Nobelbezirk Mayfair, das als Besonderheit eine Skulptur des Bildhauers Antony Gormley zur Übernachtung um 1575 Pfund pro Nacht anbietet. Ebenso setzt das neu eröffnete Traditionshaus Lanesborough im Westlondoner Knightsbridge auf Kunst als Attraktion. Das gelingt mit spektakulärem Design auch dem CitizenM Hotel beim Tower of London, dem Curtain Hotel in Shoreditch und, ganz besonders, dem Mondrian Hotel am südlichen Themseufer in Gehweite der Tate Modern. Der Name ist Programm. Mehr sei nicht verraten. Außer vielleicht noch ein Hinweis: Nie hatten es Besucher der britischen Hauptstadt so gut. Und das nicht nur wegen des schwachen Pfunds.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2016)

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