Heiße Luft in kalter Luft

Skandinavien III. Fichtenwipfel und Elche aus der Vogelperspektive: Bei der Arctic Balloon Adventure in Schwedisch Lappland.

Was für ein Anblick: ein Dutzend knallbunter Heißluftballons am blauen arktischen Himmel. Darunter eine bis zum Horizont gefrorene Schneelandschaft. Das gibt es nur beim nördlichsten Ballonfestival der Welt in Gällivare, 70 Kilometer nördlich des Polarkreises, das heuer vom 25. Februar bis zum 3. März stattfindet.

Beim Treffen im Tourismus-Büro von Gällivare herrscht aufgeräumte Stimmung. Wetterlage, Windrichtung, Temperaturen, alles stimmt. Auf dem Parkplatz warten die Landrover mit Anhängern, auf denen die Ballons und Gerätschaften verstaut sind. Eine Karawane mit mehreren Crews von überall aus Europa, und mit Gästen, die für das Abenteuer der Arctic Balloon Adventure gezahlt haben, bricht auf. Zunächst auf Landstraßen, die mit einer festen Schneeschicht bedeckt sind, dann über Forst- und Feldwege, auf denen Ausweichen bei Gegenverkehr ein Problem wäre. Plötzlich Stopp mitten in der Schneewüste. „Wenn wir hier starten, dürfte der Wind uns zurück nach Gällivare tragen“, meint Hans-Joachim Häuser, professioneller Ballonfahrer aus Deutschland und einer der Organisatoren des spektakulären Ereignisses. Alle packen mit an, breiten den riesigen Ballon auf dem schneebedeckten Boden aus, ein Riesenpropeller bläst Luft hinein, dann wird der Brenner dazugeschaltet. Die mittlerweile heiße Luft lässt den Ballon sich langsam erheben. Der Korb, in dem die in Thermokleidung, Skijacken, gefütterte Overalls und dicke Mützen gekleideten Passagiere bequem Platz finden, ist schon längst stabil am Ballon befestigt.

Elche, Inseln, Häuschen

Ein wahrhaft erhebendes Gefühl, als der Ballon plötzlich in den arktischen Himmel steigt. Die zuvor gestarteten Ballons sind schon weit höher, ein nächster hat gerade die Bodenhaftung verloren und erhebt sich über die schneebedeckten Nadelbäume. Minus 25 Grad hat das Thermometer noch am Boden gezeigt, doch plötzlich, ab rund 50 Metern Höhe, ist es fast zehn Grad wärmer. „Inversionswetterlage“, bedeutet der Pilot, „das ändert sich wieder.“ Doch die Sonne wärmt und der unglaubliche Panoramablick lässt die Kälte vergessen: Eine Winterlandschaft mit endlosen Nadelwäldern, Felskuppen und zugefrorenen Seen breitet sich aus. Da drüben, ein halbes Dutzend Elche, die über eine Lichtung stapfen. Rentiere, meist auch in kleinen Gruppen, sind häufiger auszumachen. Aus einem Häuschen mitten im Wald steigt eine feine Rauchsäule auf. Da ist wohl jemand zu Hause. Andere Häuser auf von Eis und Schnee eingekreisten Inseln scheinen verlassen. Drei motorgetriebene Ski-Doos ziehen auf einer Schneise über einen See. Funkkontakt zum nächsten Ballon. „Die üben jetzt ein Landemanöver, steigen aber rechtzeitig wieder auf“, werden die Passagiere aufgeklärt. Der Kopilot muss noch einige Erfahrung sammeln, bevor er die Lizenz als Ballonführer beantragen kann. Bei einer Geschwindigkeit von sieben bis acht Knoten (rund 14 km/h) zieht das Gefährt durch die polare Landschaft. Die anderen Ballons schweben als bunte Tupfer am blauen Himmel hinterher, mit scharf geschnittenen Schatten über den Fichten.

Nicht lenken, aber steuern

Der schneidend kalte Wind ist praktisch nicht zu spüren. „Wir werden eben vom Wind getragen“, erklärt Häuser. Lenken kann man den Heißluftballon nicht, ihn etwa wie ein Flugzeug in eine andere Richtung steuern. Es kommt stattdessen darauf an, unterschiedliche Windströmungen in verschiedenen Flughöhen auszunutzen. Wird dazu Heißluft in der extrem kalten Umgebung abgelassen, kondensiert sie dekorativ zu Wasserdampf. Nahezu lautlos gleitet man dahin, die Zündflamme, mit der hin und wieder erhitzte Luft in den Ballon geblasen wird, ist das einzige Geräusch.

Nach rund drei Stunden beginnt der Landeanflug. Der Dundret, ein 823 Meter hoher Berg mit Skipisten, muss überflogen werden, da liegt auch schon Gällivare vor einem. Weiter im Norden, bei Malmberget, lässt sich der gewaltige Tagebau erkennen, der im Laufe der Jahre nicht wenige Bewohner gezwungen hat, umzusiedeln. Eisen wird hier aus der Erde geholt, auch Silber und Gold.

Landeplatz ist der Vassaraträsket-See, der von Westen an den Ort grenzt. Schneemobile waren hier schon im Einsatz, haben Plätze freigeräumt und Trassen zum Ufer durch den tiefen Schnee gefräst. Heißluft entweicht mit lautem Zischen, jetzt ist das Können des Piloten gefragt. Dieser hier ist perfekt: Ein kurzes Auftippen des Korbes auf dem Schnee, dann noch einige Meter und der Ballon steht. Gut, dass jetzt wieder alle mit anpacken: die restliche Luft aus dem Ballon drücken, die Hülle zu einem Paket zusammenlagen und auf den Anhänger eines Schneemobils wuchten. Zum Seeufer geht es in rasender Fahrt mit dem Schneemobil, da warten schon die Landrover. Wieder wird alles verstaut und zurück geht es nach Gällivare, wo der heiße Tee schon in der Kanne zieht.

IN DER HÖHE

Event: Arctic Balloon Adventure von 25. 2. bis 5. 3. 2017 in Gällivare,

www.arcticballoon.se/en

Anreise: Flüge über Kopenhagen nach Kiruna mit SAS (www.sas.de) bzw. mit anderen Airlines nach Stockholm und weiter mit Next Jet (www.nextjet.se) nach Gällivare.

Übernachtung: Liza Hotell in Gällivare, modernes Hotel der Best-Western-Gruppe, zentral, www.lizahotell.se

Hotel Dundret in Gällivare, einfache

und ordentliche Herberge mit Ein- bis Vier-Bett-Zimmern und Apartments,

www.hotelldundret.se

Stora Sjöfallet: Berglodge beim Naturschutzgebiet 130 km nördlich von Gällivare (einfach, gemütlich mit herzlichen Gastgebern), samische Spezialitäten im Restaurant Laponia, Tankstelle, www.storasjofallet.com

Essen und Trinken: Restaurang Grand im Hotel Lapland in Gällivare, Spezialitäten aus Lappland.

Restaurang Husmans in Gällivare, Hausmannskost, wie gebratenes Lachsfilet mit Kartoffeln und Hummersauce oder „Pyttipanna“ (Kartoffeln mit Rindfleischwürfeln) und Spiegelei.

Info: VisitSweden, www.visitsweden.com

Visit Gellivare Lapland, www.gellivarelapland.se

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2017)

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