Die Vermessung der Schildkröten

Strand und Granitfelsen am Traumstrand Source d Argent Insel La Digue Seychellen BLWX057462 Copyri
Strand und Granitfelsen am Traumstrand Source d Argent Insel La Digue Seychellen BLWX057462 Copyri(c) imago/blickwinkel (imago stock&people)
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Die Seychellen sind berühmt für die traumhaften Strände und die farbenprächtige Unterwasserwelt. Mit einem Ranger unterwegs kann man allerdings auch die Landmassen ganz neu entdecken.

Am Morgen leuchten die Palmen in den ersten Sonnenstrahlen, der Strand, breit und leer, wirkt wie in der Bacardi-Werbung: Vielleicht sollte man einfach bleiben, den Fischen zuschauen, den Ort genießen. Aber wir haben anderes vor, schließlich haben die Seychellen mehr als traumhafte Strände. Rudi Ricaud, der Ranger, legt Taucherbrille und Flossen ab: „Schaut, da hinten ist das Boot schon.“ Der Franzose beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Natur der Seychellen und lebt mit seiner Familie auf Praslin. „Wir fahren jetzt wie bei einer normalen Patrouille die Küste entlang“, erklärt Rudis Kollege und Leiter des Curieuse Marine National Park, Allen Cedras, im Boot. Die nur drei Quadratkilometer große Insel Curieuse liegt nördlich von Praslin und steht samt der Meeresfläche zwischen beiden Inseln unter Naturschutz. Meerestiere zu fangen ist hier streng untersagt. Schiffe dürfen nur an mit Bojen gekennzeichneten Stellen ankern. Baden, Schnorcheln und Tauchen ist jedoch erlaubt.

Das Boot fliegt über die Wellen, vorbei an imposanten Granitfelsen. Nach einer halben Stunde ist die Station der Ranger zu erkennen. Auf Curieuse trauen wir unseren Augen nicht: Riesige Schildkröten schleichen über die Wiese, liegen im Schatten oder bewegungslos in einem Teich. „Hier leben 350 Tiere, sie können 300 Kilo schwer und 200 Jahre alt werden“, erklärt Yael Perrine von der Seychelles National Parks Authority, die seit 1979 die Insel und weitere Nationalparks verwaltet. Die Landschildkröten wurden auf der Insel angesiedelt, um sie vor dem Aussterben zu schützen. Früher wurde Curieuse für die Produktion von Vanille und Copra, dem getrockneten Fruchtfleisch der Kokosnüsse, sowie als Leprastation genutzt.

Nachdem 1967 ein großer Teil der Vegetation verbrannte, kümmerte sich die Regierung um die Insel, um die ursprüngliche Vielfalt der Pflanzen wiederherzustellen. Leicht ist es, sich mit den Schildkröten anzufreunden, überraschend schnell stecken sie ihre Köpfe in unsere Rucksäcke. Währenddessen gesellen sich einige Besucher zu Yael, die erklärt, wie ernst hier der Naturschutz genommen wird, um diese einzigartige Inselwelt zu erhalten – etwa mit einer Aufzuchtstation für den Schildkrötennachwuchs. Yael nimmt eine winzige Schildkröte aus dem Gehege und wiegt sie auf der Hand: „Der Panzer ist so leicht und weich, kaum vorstellbar, dass sie schon zehn Jahre alt ist.“

Überraschung im Sand

Auf der anderen Seite der Insel gehen Yael und Rudi im Urwald voraus, die Gruppe versucht, Schritt zu halten, schiebt Palmwedel und Äste von Cashewbäumen beiseite, der fast nicht vorhandene Weg wird immer steiler. Was für eine Aussicht oben: Hinter dem Urwald leuchtet das Meer. Ganz allein sind wir nicht: Tierspuren laufen schnurgerade vom Wasser über den Sand bis in den Schatten der Takamakabäume. Aber weit und breit nichts zu sehen. „Es sind die Spuren der Meeresschildkröten, sie graben an einer geschützten Stelle am Strand ein Loch und legen ihre Eier dort ab“, erklärt Yael. Rudi bleibt plötzlich stehen: „Ich glaub, da vorn bewegt sich etwas.“ Leise gehen wir weiter. Tatsächlich: Halb im Sand zwischen herruntergefallenen Palmwedeln und Blättern liegt eine Meeresschildkröte. Sie atmet schwer, hat Tränen in den Augen, bebt am ganzen Körper. „Das erleben wir sehr selten, das ist etwas ganz Besonderes“, meint Yael und holt ein Ei aus dem Sand. Mit einem Maßband vermisst sie die Schildkröte, markiert sie und legt das Ei zurück. Zwei Monate lang legen die Schildkröten bis zu 150 Eier, aber nur zwei bis drei überleben, auf dem Weg ins Meer werden die meisten Tiere von Krabben und Vögeln, im Wasser von Fischen gefressen. Erst, wenn sie groß genug sind, können sie überleben. Die Zivilisation kommt übers Meer und macht den Tieren das Leben zusätzlich schwer.

(c) Die Presse


Zurück auf dem Segelschiff Seabird weht uns der Wind um die Nase. Unten begleiten uns bunte tropische Fische. Kapitän Alex Thomson ist nach vier Jahren im Ausland froh, dass er wieder zurück ist. „Ich liebe diese Inseln, das Meer, die Natur und möchte nirgendwo anders leben“, sagt der 29-Jährige, obwohl er woanders mehr Geld verdienen könnte. Das Schiff wird langsamer und ankert. Mit einem schnellen Schlauchboot setzen wir zur Insel Aride über.

Mit Ausnahme von Rangern wird Aride nur von Vögeln bewohnt. Der britische Schokoladenfabrikant Christopher Cadbury erwarb die 68 Hektar große Insel 1973 für eine englische Naturschutzorganisation. Seit über zehn Jahren ist die Island Conservation Society der Seychellen verantwortlich. Ranger Rodney Marie führt über die Insel, vorbei an weiß blühenden Gardenien, prächtigen Banyanbäumen mit Lianen, Riesentausendfüßlern und Feenseeschwalben, die in den Bäumen sitzen und ohne Nest brüten. Über dem Gipfel schweben Hunderte schwarze Fregattvögel. „Nirgendwo ist man ihnen so nah“, erklärt der Biologe. Hier leben Tausende.

Omnipräsent als Motiv auf den Malediven ist die größte Kokosnuss der Welt – selbst als Stempel im Pass: Zurück auf Praslin finden wir die Coco de mer aber erst im Urwald des Vallée de Mai, einem Unesco-Weltnaturerbe. Mythen ranken sich um die angeblich aphrodisierende Frucht – die Coco de mer wurde einst wohl von Indien oder den Malediven zu den Seychellen hergetrieben. Heute gibt es sie nur auf Curieuse und Praslin. Aber nach einer längeren Tour, durch den Urwald, die uns staunen macht, wird es wieder Zeit, an Bord zu gehen – und die Seychellen vom Meer aus zu genießen.

Winzig im indischen ozean

Seychellen: Insgesamt 115 Inseln, die meisten unbewohnt. Viele Palmenarten, üppige Wälder, Mangrovensümpfe, Sträucher, Orchideen, Gewürzpflanzen und eine reiche Unterwasserwelt bestimmen die einzigartige Natur: 80 Prozent der Pflanzenwelt auf den Seychellen sind endemisch, über 50 Prozent der Landmasse sind unter Naturschutz.

Besiedelt wurden einige Inseln erst Ende des 18. Jahrhunderts. Französische Kolonialherren errichteten mit afrikanischen und madegassischen Sklaven Kokosplantagen. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die Inseln englische Kolonie. Nach der Unabhängig- keitserklärung 1976 wurden sie zum sozialistischen Einparteienstaat. Seit 1993 haben die Seychellen eine demo-kratische Verfassung. Entwickelt hat sich eine gemischte kreolische Bevölkerung.


Übernachten: Raffles Hotel, fünf Sterne, bei der Anse Takamaka auf Praslin, eigener Strand, über 90 Villen mit Privatpool, Blick auf die Insel Curieuse. Gästeprogramm Ranger for a day: Mit den Teilnahmegebühren wird der Marine National Park unterstützt. www.raffles.com/praslin

Indian Ocean Lodge: Schönes, kleines Hotel direkt am Strand auf Praslin, Grand Anse. www.indeanoceanlodge.com

SeyVillas-Reiseveranstalter: Vermittlung von Unterkünften und individuellen Seychellen-Reisen, www.seyvillas.com

Einwöchiger Segeltörn mit Silhouette Cruises. Stationen auf verschiedenen Inseln, Ausflüge und Wassersport ab ca. 4400 Euro, www.seychelles-cruises.com

Einkaufen: Die Markthalle in der Hauptstadt Victoria auf der Insel Mahé, täglich 5.30 bis 18 Uhr

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