Nordamerika: Dunkle Seite der Säulenherrlichkeit

Prachtvolle Häuser in New Orleans
Prachtvolle Häuser in New Orleans(c) imago stock&people (imago stock&people)
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Am Ufer des Mississippi hat die erste Südstaaten-Plantage eröffnet, die das Leben aus Sicht der versklavten Bewohner zeigt.

Weiße Säulen, schwingende Krinolinen und prächtige Alleen: Das Klischee der Südstaatenherrlichkeit wird auf den diversen Plantagen im Süden der Vereinigten Staaten zelebriert, tausende Touristen promenieren jedes Jahr zwischen mächtigen Eichen und üppigen Blüten, um sich einmal wie Scarlett O'Hara oder Patrick Swayze in „Fackeln im Sturm“ zu fühlen. Und werden dabei von Fremdenführern in historischen Kostümen aus der Epoche tatkräftig unterstützt.

Auf der Whitney-Plantation zwischen Baton Rouge und New Orleans sieht das anders aus: Hier sieht man das Herrschaftshaus ganz am Ende der Tour, und irgendwie schmeckt diese Pracht gar nicht mehr so süß, nachdem man zuvor die andere Seite der Plantagen besichtigt hat. Denn im Mittelpunkt der Führungen steht das Leben der bei weitem überwiegenden Zahl der Menschen, die auf diesen Plantage gelebt haben – der Sklaven. Fünf zu eins betrug das Verhältnis versklavter Schwarzer zu den weißen Bewohnern der Zuckerrohrplantagen an der „German Coast“ (entlang des Mississippi zwischen New Orleans und Baton Rouge) während der Blütezeit der Sklaverei zwischen dem späten 18. Jahrhundert und dem Ende des Bürgerkrieges 1865. Doch die meisten Bücher, Filme und touristischen Angebote haben sich bis vor kurzem fast ausschließlich mit dem weißen Teil der Geschichte befasst. „Es gibt in den USA 35.000 Museen, und wir sind das einzige, das sich ausschließlich mit der Geschichte der versklavten Plantagenbewohner beschäftigt“, berichtet Cheryl Gaudet, die sich der Aufarbeitung verschrieben hat, und als Guid Gruppen über die Einrichtung führt. Und das mit einer Intensität, die auch jene Besucher, die durchaus Verstörendes erwartet haben, immer wieder um Fassung ringen lässt.

Gaudet erzählt von den drakonischen Strafen, die für Vergehen aller Arten verhängt wurden, und davon, dass ausnahmslos immer alle anderen zuschauen mussten, wenn die Delinquenten – grundsätzlich nackt – ausgepeitscht oder gebrandmarkt wurden. Und das nicht nur von weißen Aufsehern, sondern auch von Mitsklaven, die dazu gezwungen wurden, teils sogar Familienmitglieder vor aller Augen zu quälen.

Umschreibungen vor Kindern

Vor den rohen Holzhütten, deren Wände so offensichtlich nicht vor den unzähligen Insekten am sumpfigen Mississippi-Ufer geschützt haben können, sorgt sie mit Details für ein neues Verständnis der grausamen Wirklichkeit des 18. und 19. Jahrhunderts: Wie den Gruben, die dafür ausgehoben wurden, schwangere Frauen zum Auspeitschen bäuchlings hineinzulegen, damit das Ungeborene geschützt blieb. Und das nicht aus Nächstenliebe: „Da Sklaven als Eigentum betrachtet wurden, galt auch das ungeborene Kind als wertvoller Besitz, den man nicht beschädigen wollte“, erklärt sie. Immer wieder stoppt die Mittfünfzigerin bei ihren Erzählungen, um ihre Worte sorgfältig zu wählen. Denn obwohl die Teilnahme für Kinder auf der Webseite eher nicht empfohlen wird, finden sich regelmäßig auch sehr junge Besucher unter den Zuhörern, denen die Geschichte nicht in ihrer ganzen Abscheulichkeit zugemutet werden soll. Deswegen versucht Gaudet teils durch Umschreibungen oder lateinische Ausdrücke den Erwachsenen zu vermitteln, was die Kinder nicht verstehen sollen. „Das ist immer wieder ein Balanceakt“, erzählt sie später im Gespräch, „einerseits wollen wir natürlich berichten, wie es wirklich war. Aber es ist auch verständlich, wenn Eltern daran liegt, ihre Kinder herzubringen, damit sie diesen Teil der Geschichte und vielleicht ihrer eigenen Herkunft verstehen.“

Der Mann, dem seit Jahren daran lag, diese Geschichte aufzuzeigen, heißt John Cummings und ist ein vermögender, pensionierter – weißer – Rechtsanwalt und Immobilienentwickler aus New Orleans. Er kaufte das Land der Whitney und schuf teils mit den vorhandenen Gebäuden, aber auch Spenden von umliegenden Plantagen dieses besondere Freilichtmuseum. Gut 100 Hektar ist das Gelände der Plantage groß, die 1721 von dem deutschen Auswanderer Ambroise Heidel gegründet wurde. Für den Museumsbetrieb finden sich hier heute neben den Hütten und dem Herrenhaus auch eine kleine, von freien Sklaven nach dem Bürgerkrieg erbaute Baptistenkirche und ein metallener Gefängnisblock – der unter der Sonne Louisiana eine Art Backofen für die Gefangenen gewesen sein muss. Auf einer bedrückenden „Wall of Honor“ sind die Namen von 2200 Kindern eingraviert, die auf der Whitney und in der angrenzenden Gemeinde zu Tode gekommen sind; außerdem stehen über die Plantage verstreut 40 Skulpturen des Bildhauer Woodrow Nash, die die Kinder der Whitney darstellen und als stumme Zeugen der Vergangenheit berühren.

Über den Umgang mit weiteren Skulpturen des Künstlers herrscht noch Unklarheit: Diese sind bereits auf der Plantage und zeigen die Opfer des so genannten „German Coast Uprising“ - oder vielmehr das, was von ihnen übrig blieb. Denn der Sklavenaufstand wurde 1811 niedergeschlagen und endete damit, dass die Köpfe der enthaupteten Anführer auf Eisenstangen entlang des Mississippi aufgespießt und zur Schau gestellt worden. Ein Szenario, das Nash ebenfalls nachgebildet hat – aber darüber, ob dieser Anblick zumutbar ist, wird noch diskutiert.

Positive Reaktionen

Die Plantage war vom ersten Tag an kein Nischenprogramm für Hartgesottene, sondern durchaus eine touristische Einrichtung, die mehr Besucher als erwartet erreicht. Diejenigen, die ihre Tour nicht vorher per Internet gebucht haben, müssen an manchen Tagen durchaus eine Stunde auf die nächste freie Führung warten, denn ohne eine solche darf man nicht auf das Gelände. „Schon im unseren ersten vollen Jahr 2015 hatten wir 35.000 Besucher“, berichtet Ashley Rogers, Direktorin des Museumsbetriebs, „und lagen damit von Anfang an über unseren Erwartungen.“ Was natürlich auch der enormen Presse-Resonanz zu verdanken sei, die mit der Eröffnung der ersten Plantage, die sich ausschließlich mit der Perspektive der Sklaven befasst, einherging. Und ausschließlich positive Reaktionen für Cummings und sein hochmotiviertes Team aus Guides und Administratoren hervorrief. „Zumindest was die Reaktionen angeht, die wir hier sehen“, schränkt Rogers ein, „denn diejenigen, die uns nicht unterstützen, kommen hier nicht her und reden auch nicht mit uns.“

TIEFER SÜDEN

Besuchen: Die Whitney-Plantage liegt eine Autostunde westlich von New Orleans. Eintritt/Führung kosten 22 Dollar, www.whitney-plantation.com.

Ganz nah liegen die klassische „Oak Alley“, wo etwa „Interview mit einem Vampir“ gedreht wurde (www.oakalley-plantation.com) und die „Laura Plan-tation“, die die Story aus Sicht einer Frau erzählt(www.lauraplantation.com).

Schlafen: New Orleans ist viel attrak- tiver als Baton Rouge. Ein gutes Viersterne-Hotel im historischen French Quarter, aber weg vom Lärm der Bour- bon Street, ist das „Royale“: ab 199 USD /Nacht moderne Zimmer in einem alten Creolen-Haus, www.french- quarter-hotelgroup.com/hotelroyal.html

Parken in New Orleans kommt extra und kann bis zu 50 USD/Nacht kosten.

Essen: In New Orleans sind die krapfen- artigen Beignets im Café du Monde Pflicht. Zudem Po'Boys, Gumbo und Jambalaya. Wer beim berühmtesten kulinarischen Sohn der Stadt dinieren will: Emeril‘s, http://emerilsrestaurants.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2017)

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