Kärnten: Inspiriert gehen, in Bewegung sehen

Kunstgenuss, Naturgenuss: Verbinden lässt sich beides in Südkärnten rund um den Klopeiner See: Beim Museumswandern schafft man drei große Ausstellungen auf 50 Kilometern und 1800 Höhenmetern.

Zugegeben: Orientierungssinn ist unterwegs gefragt, denn es gibt für diese kulturelle Rundwanderung kein eigenes Symbol, obwohl es in der Wegbeschreibung teilweise so geschildert wird (nicht zu verwechseln mit dem blauen „M“ des Mariazeller Weges). Es lohnt sich dennoch aufzubrechen: Ausgestattet mit guten Karten und einer nicht immer stimmigen Beschreibung aus dem Internet starten wir bei der „Schatzkammer Kärntens“, beim Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal zur längsten der drei Wegstrecken. Das Ziel, Bleiburg, liegt gute 20 Kilometer entfernt. Nach der Überquerung des Johannesbergs und des Eisensattels führt der Weg hinunter an die Drau, die einen immer wieder begleitet. In Eis bei Ruden, ungefähr nach der Hälfte der Tagesetappe, gibt die Eierspeis in der Buschenschenke von Maria und Josef Kaschnig die nötige Kraft für den weiteren Marsch (Dienstag Ruhetag). Die Eier kommen frisch aus dem Stall, und im köstlichen Himbeerschnaps schwimmen die Beeren aus dem Obstgarten.

Ein kurzes Spiel auf der alten Wiesenkegelbahn mit dem Wirt macht wieder munter. Im Herzen der kleinen Stadt Bleiburg, unweit der Grenze zu Slowenien, liegt das Werner-Berg-Museum am Hauptplatz. Zu sehen ist darin das Lebenswerk des in Deutschland geborenen Künstlers (1904–1981), der sich nach seiner Ausbildung in Südkärnten am einsamen Rutarhof niederließ und sein gesamtes Schaffen dem Kärntner Unterland widmete. Aktuell wird im Museum eine Gottfried-Helnwein-Ausstellung gezeigt, bei der „Kind“-Bilder des Hyperrealisten auf jene des Expressionisten Werner Berg treffen. Ein Tipp für danach: Nur wenige Schritte entfernt sind Museumswanderer gut aufgehoben im Alten Brauhaus bei der Familie Breznik. Nach einem feinen Essen erholt man sich in einem der umgebauten 17 Zimmer oder im Hotelneubau mit weiteren 16 Zimmern: stylisch und gemütlich in Bleiburgs Zentrum.

Röhre voller Bilder

Über den Kömmelgupf geht es am nächsten Tag nach Neuhaus (15 km). Einsam durch den ruhigen Wald und mitten durch ein Meer von Schwarzbeersträuchern führt die Route. Dazwischen wunderschöne Ausblicke ins Jauntal. Sobald es wieder hinabgeht, aufpassen: Schnell folgt man dem Straßenschild nach Neuhaus, froh, ein eindeutiges Schild zu sehen – und übersieht die Abzweigung zum vorgesehenen Weg durch den Wald runter nach Neuhaus. Dort warten im ältesten Gasthaus, Hartl, im Dorfzentrum Gerichte aus „Hadn“ wie etwa Hadn-Nudeln oder Hadn-Torte nach uraltem Rezept der Wirtsfamilie. Das Wort Hadn stammt aus dem Volksmund der Südkärntner und bedeutet Buchweizen. Im Sommer leuchten die Felder rosa.

In Neuhaus treffen Drauweg-Radler, Jakobsweg-Pilger und Museumswanderer aufeinander. Nur noch kurz ist es bis zum Liaunig-Museum, einem bekannten Privatmuseum für zeitgenössische Kunst. Weit sichtbar fällt es durch seine röhrenartige Architektur auf, die die Sammlung des Kärntner Industriellen Herbert W. Liaunig birgt. Ein Großteil ist der Malerei der 1980er-Jahre in Österreich gewidmet, insgesamt umfasst die Sammlung 3500 Werke. Sehenswert ist auch der Skulpturenpark auf einer Wiese über dem großteils unterirdisch gelegenen Museum. Zudem startete hier heuer eine kammermusikalische Konzertreihe mit Größen aus der heimischen wie internationalen Musikwelt. In diesem außergewöhnlichen Ambiente werden Musik und bildende Kunst in unerwartete Kontexte gesetzt. Und am Ende des Tages? Erholsamen Schlaf gibt es in den Zimmern des Gasthofs Hartl.

Schatzhaus am Kegel

Start zur letzten Etappe mit Ziel St. Paul (16 km): Wer bereits schwere Beine hat, kann die Etappe um etwa fünf Kilometer verkürzen, bis Lavamünd mit dem Bus fahren und dort den Weg direkt an der Brücke über die Drau beginnen. Beim Sportplatz und der Stauseearena gibt es eine Anlegestelle, von der aus Floßfahrten nach Dravograd in Slowenien angeboten werden. Dann geht es wieder aufwärts, und der Aufstieg wird an der alten Waidegger Kapelle mit einer Traumaussicht, Tisch und Holzbankerl belohnt. Der Blick reicht auf die Koralpe, Lavamünd und die Drau bis nach Slowenien und ins Jauntal. Am Russ-Kreuz wenig später sehen wir hinunter auf den Ausgangspunkt der Route zum Liaunig-Museum. Im Hintergrund der Kömmelgupf, den wir zuvor überquert haben. Bald kommt der Josefsberg in Sicht, der schon zu den St. Pauler Bergen gehört.

Der Weg führt durch das Gehöft des Gasthauses Johannesmesner. Ein guter Zeitpunkt für eine Stärkung. Beim Abstieg nach St. Paul liegt das mächtige Stift vor uns, gesäumt von vielen Obstbäumen, für die das Lavanttal dank seines milden Klimas so bekannt ist. Eingebettet in die fruchtbare Landschaft erhebt sich auf einem Felskegel das Stift St. Paul. Das „Schatzhaus Kärntens“ nahm einst für die Kolonisation des Ostalpenraums einen besonderen Rang ein. Während des Rundgangs, beginnend mit der Bibliothek, die neben der Nationalbibliothek als eine der bedeutendsten in Österreich gilt, streift man von der Antike und dem frühen Mönchtum bis zur Blüte der Barockzeit. Unbedingt anschauen: die romanische Basilika, den Kristalldom und die Gartenanlage mit Barock- und Kräutergarten. Zweieinhalb Stunden sollte man für den Besuch schon einplanen. Die ehemaligen Repräsentationsräume dienen heute als Areal des Stiftsmuseums, das zu den wertvollsten privaten Sammlungen Österreichs zählt. Sie reicht von mittelalterlichen Goldschmiedearbeiten bis zu einer der bedeutendsten Handschriftsammlungen der Welt – der Besuch ist ein Streifzug durch die europäische Geschichte und macht das letzte Ziel der Wanderung zu einem Museumsjuwel.

Kunst auf dem Weg

Infos zur Region, Orten und Wanderungen:www.klopeinersee.at, Touren auf: www.outdooractive.com

Schlafen & Essen: In Bleiburg: Brauhaus Breznik, neue Zimmer, www.brauhaus.breznik.at; in Neuhaus: Hartl-Wirt, neue Zimmer, www.hartl-wirt.at; in St. Paul: Gasthof Johannesmesner, www.johannesmesner.at

Museen:www.wernerberg.museum (Mo geschlossen), www.museumliaunig.at (bis 29. 10. geöffnet, Mo, Di geschlossen), www.stift-stpaul.at (Museum Mo, Di geschlossen).

Karten: Freytag & Berndt WK 238 Kompass Wandern/Rad 219

Feste & Feiern: „See in Flammen“ (7. 7.), Jauntaler Salamifest (6. 8.), 623. (!) Bleiburger Wiesenmarkt (1.–4. 9.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 3.6.2017)

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