Costa Rica: „Pura Vida“ bei Ticos und Tukanen

Hallo, Faultier
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Tausende Arten von Affen, Faultieren, tropischen Vögeln bis zu Kaimanen. Ein winziges Land, eingerahmt von Karibik und Pazifik, dazwischen Berge, Nebelwälder, aktive Vulkane: Zu Besuch in Costa Rica.

"Mira, mira, mira!", ruft Don Arturo. Er, der Fahrer, stoppt den Kleinbus, zeigt auf einen niedrigen Baum am Straßenrand. Zu sehen? Erst einmal nichts. Aussteigen, hinaus aus dem kühlen Bus in die sengende Mittagsschwüle, anschleichen – dann deutet die Naturführerin, die die Reise begleitet, auf ein Fellknäuel im Geäst. Ein Faultier, regungslos, auch als die schwitzenden Touristen sich durch das hohe Gras nähern. Das Geknipse stört es nicht, ein Gähnen, wenige Bewegungen im Zeitlupentempo. Das reicht, um für Verzückung zu sorgen, selbst Don Arturo, der „Tico“ (so nennen sich Costa Ricaner selbst) sagt, so aus der Nähe sehe man sie selten. Dabei sieht er ohnehin Tiere, die das dahingehend ungeschulte Auge der Besucher aus Europa schnell übersehen würde. Einen Schwarm Pelikane, der über der Straße Formationen fliegt, oder die großen Morphofalter, deren leuchtendes Blau an der Flügeloberfläche man nur im Flug sehen kann. Oder, er stoppt an einem Baum, deutet nach oben, in luftiger Höhe im Baum hängt ein Brüllaffe.

Nummer eins bei Artenvielfalt

Costa Rica ist ein kleines Paradies, wenn es um die Arten dieses Planeten geht. Mehr als ein Viertel der Fläche des mit 52.000 Quadratkilometern kleinen Landes steht unter Naturschutz, es ist ein Hotspot an Biodiversität, kein Land der Welt ist artenreicher. Hier, wo eine Kette an Vulkanen die Landbrücke formte, die die getrennten Kontinente Amerikas verband. Im Herzen dieser Landbrücke liegt Costa Rica, hier sind Arten aus dem Norden und dem Süden zusammengekommen. Die vielen Mikroklimata begünstigen die Vielfalt: Die Höhenlagen, die Regenwälder, die Nebelwälder, die Vulkane, die Küsten der Karibik und des Pazifiks sind Heimat von rund 500.000 Arten geworden – auf 0,03 Prozent der Landmasse der Erde leben damit fünf bis sechs Prozent der weltweit angenommenen Arten. Bei Schmetterlingen findet man zehn Prozent der weltweiten Arten in Costa Rica.

Die eingangs erwähnte Busfahrt mit Affen, Faultieren oder Pelikanen ist ein Vorgeschmack auf das, was sich in den Nationalparks findet. Davon gibt es viele, Costa Rica zählt 60 Schutzgebiete, 30 Nationalparks, dazu 30 Naturschutzgebiete. Das System gilt als eines der fortschrittlichsten der Welt. Einer der bekannteren Parks ist Tortuguero, ein Regenwaldgebiet, durchzogen von Kanälen, man vergleicht es mit dem Amazonas. Immer wieder stoppt das Boot: für Tukane, die mit gelben Schnäbeln aus den Bäumen leuchten. Für Kaimane, die regungslos im Wasser dösen, oder für giftgrüne Echsen, die durch den Dschungel flitzen. Nächster Nationalpark, diesmal Corcovado, auf dem Weg von Uvita zur Isla de Caño, nächste Bootsfahrt. Delfine schwimmen vorbei, wäre man im Herbst gekommen, hätte man Wale sehen können. Heute taucht neben dem Motorboot der Kopf einer Meeresschildkröte auf, später wird man neben ebendieser, oder einigen Artgenossen, schnorcheln, zwischen Schwärmen bunter Tropenfische ein Stück ihres Weges durch das Meer beobachten.

Die Natur als Reichtum

Früher, da wurden die Meeresschildkröten – man nennt die Grüne Meeresschildkröte nicht ohne Grund auch Suppenschildkröte – gejagt – vor allem dann, wenn sie zur Eiablage an Land kamen. Heute zeigt man in den Artenschutzzentren Touristen Videos von Meeresschildkröten, die elendig am Plastik in den Ozeanen verenden. Heute verkaufen die Dorfbewohner nahe diesen Stränden, die man als Brutstätte der Schildkröten kennt, stolz Schildkröten aus Stein, Holz oder Metall. Nur bloß nicht aus Plastik, wie man auch Plastikflaschen hier kaum bekommt – und wenn, dann nur mit der Mahnung, sie wieder zu befüllen oder zumindest richtig zu entsorgen.

Costa Rica als Naturparadies – die Ticos wissen diesen Wert zu verkaufen. Costa Rica boomt als Reiseziel, auch, weil sich das Land als Ökodestination für nachhaltiges Reisen profiliert. (Zumindest, wenn man ausblendet, dass es einen Langstreckenflug braucht, um dorthinzukommen.) Es ist ein Land für Naturliebhaber, die Exotik und doch Ruhe und Sicherheit suchen. Costa Rica, die reiche Küste, die Kolumbus so nannte, weil er dachte, dort sei Gold zu finden (ist es nicht, die Indigenen trugen Gold aus anderen Gegenden), nennt man nicht ohne Grund Schweiz Mittelamerikas. Kolumbus hatte sich wie gesagt getäuscht, als er vor Limón anlegte – Costa Rica hat kaum Bodenschätze, entsprechend wenig Interesse hatten die Spanier, entsprechend wenig gibt es heute kulturell hier zu sehen: Die Basilika de los ?ngeles mit einer Schwarzen Madonna ist eine der wenigen religiösen Sehenswürdigkeiten, architektonisch wäre vielleicht das Nationaltheater in San José interessant.

Aber wegen der Städte kommt man nicht hierher – auch nicht wegen des Essens, kulinarisch heißt die Universalantwort in Costa Rica Reis und Bohnen, als Gallo Pinto morgens, als Casado mittags und abends wieder. Schmackhaft, aber wie gesagt nach Costa Rica reist man nicht wegen des Essens – eher, um zu staunen: über die Sphären zum Beispiel. Diese mysteriösen Steinkugeln gehören zu den wenigen Relikten, die man von indigenen Bewohnern findet: Mehr als 300 dieser runden tonnenschweren Kugeln aus einem granitähnlichen Gestein wurden gefunden. Wann sie entstanden, wie sie an Orte gekommen sind, etwa eine Insel, auf der dieses Gestein nachweislich weit und breit nicht vorkommt, wozu sie gedient haben, das alles sind Fragen, auf die vielen bis heute nur überirdische Mächte als Antwort einfallen.

Das Glück als Nationalstolz

Die Sphären, der Reichtum der Natur, das ist heute der Stolz des Landes, wie das Glück und der Frieden. Costa Rica ist heute verhältnismäßig reich, fährt man durchs Land, sieht man bescheidenes Leben in Hütten, unter Wellblech. Elend und Armut, wie anderswo in Lateinamerika, begegnen einem nicht - nicht auf den ersten Blick zumindest. Es ist ein stabiles Land, „wir haben das Militär 1949 abgeschafft, wir sind eines der friedlichsten Länder der Welt, und wir sind die glücklichsten Menschen“, das hört man in Costa Rica immer wieder.

Im Hotel, auf dem Boot, auf dem Markt, die Tico erzählen es Fremden als Erstes. Geld, das andere fürs Militär ausgeben, werde in Bildung und Soziales investiert, es gibt kaum Analphabeten, das Schulsystem funktioniert im Vergleich gut. Frieden liebe man so sehr, dass er für die weiße Farbe auf ihrer Flagge stehe. Das ist Teil der Costa-Rica-Erzählung, die einem als Gast immer wieder begegnet. Wie die von den Glücksrankings, bei denen die Ticos immer vorn dabei sind. Man kann es ihnen nicht verdenken. „Pura Vida!“, grüßen sie – „das wahre Leben“. „Pura Vida“ oder „muy bien“, sehr gut also, sagen sie, wenn man fragt, wie es gehe. Woran es liege, das Glück, fragt man Don Arturo. „Mira“, sagt er, „schau“, deutet um sich, „sind wir hier nicht im Paradies?“

Auf einen Blick

Übernachten. Zum Beispiel Casa Turire bei La Suiza (www.hotelcasaturire.com), Savegre Hotel Natural Reserve & Spa, San Gerardo de Dota (www.savegre.com), Laguna Lodge Tortuguero (www.lagunatortuguero.com).

Anreise. Beispielsweise mit Swiss/Edelweiss Wien–Zürich–San José, hin und retour ab 923 Euro pro Person.

Rundreise. „Höhepunkte Costa Rica“, sechs Tage, Reiseverlauf: San José–La Fortuna/Vulkan Arenal–Puerto Viejo de Sarapiqui–Tortuguero Nationalpark–San José. Drei- bzw. Viersternhotels, Verpflegung, Reiseleitung (inkl. Ausflüge, Eintritte), als Gruppenreise ab 1027 Euro, Privatrundreise ab 1703 pro Person.

Individuelle Rundreise: Mietwagen ab 752 Euro, Hotels (14 Nächte) ab 766 Euro. Buchbar in Ruefa-Reisebüros oder unter www.ruefa.at.

Tiere. Die unzähligen Arten Costa Ricas besucht man besser frei bzw. artgerecht: Neben Nationalparks in Artenschutzauffang- oder Auswilderungsstationen wie: Sea Turtle Conservancy in Tortuguero, in der Brutzeit kann man Meeresschildkröten bei der Eiablage oder beim Schlüpfen beobachten. Oder: Jaguar Rescue Center, Punta Cocles, Karibikküste.

Nationalparks. Empfehlenswert sind beispielsweise der Parque Nacional Tortuguero, der Nationalpark Corcovado mit dem geschützten biologischen Reservat Isla de Caño oder der Nationalpark Manuel Antonio.

Info. Österreichische Staatsbürger brauchen zur Einreise kein Visum, lediglich einen (noch mindestens sechs Monate) gültigen Reisepass. Impfungen sind nicht vorgeschrieben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.7.2017)

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