Bregenzer Wald: Fahr' ma no' a klele!

Warten auf den „Landbus“ im „Bus Stops“ Zwing in Krumbach, entworfen von Smiljan Radic/Chile.
Warten auf den „Landbus“ im „Bus Stops“ Zwing in Krumbach, entworfen von Smiljan Radic/Chile.(c) Matthias Takacs
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Reich an Holz, Käse und Traditionen ist das Tal zwischen Bregenz und Arlberg, neue Ideen und alte Wege locken Wanderer und Architekturfans.

Die neue Bahn bremst sich am Bahnhof Bezau ein, weiter geht es bis zur Haustür mit dem E-Roller. 25 statt 45 Minuten dauert die Fahrt vom Bodensee in den hinteren Bregenzer Wald. Echt jetzt? Nein, aber in der Zukunftsvision von Katharina Ritter, der Geschichtenerzählerin zur 30-Jahr-Feier der Museumsbahn Wälderbähnle im Juni 2017 in der alten Remise.

„Oh Susanna, oh Marianna, ...“

Die Schmalspurbahn, ab 1902 von Bregenz aus Schiene für Schiene bis Bezau gelegt, wurde in den 1980er-Jahren nach Felsstürzen und Unterspülungen eingestellt. Bis in die 1960er-, 1970er-Jahre war sie gegenüber den schmalen Straßen nicht im Nachteil, brachte Kinder zur Schule, Erwachsene zur Arbeit und Ausflügler in die Hauptstadt. In den 1950er-Jahren, so eine Zeitzeugin, gingen die Kinder von Schwarzenberg 45 Minuten morgens und abends durch den Tobel zum Bahnhof, um ins Nachbardorf zur Hauptschule zu fahren. 2017 fährt das Bähnle mit Dampf/Diesel rund 10 km/h auf einem Teil der ehemaligen Strecke. „Man hielt uns für verrückt, dass wir die Bahn erhalten wollten“, erzählt Obmann Oskar Müller. „Vor allem, weil wir es ehrenamtlich angingen.“ Heute ist man stolz darauf, und wer weiß, was geistige Flexibilität in 30 Jahren bedeutet? Eine Gondel von Dornbirn nach Bersbuch? Ein Tunnel? Für beides gibt es Konzepte, die bei der Feier den anwesenden Politikern ans Herz gelegt wurden.

In den Herzen der Wälder, wie sich die Bregenzerwälder nennen, dampft das Bähnle weiter, ist das Wälderbahnlied „Fahr' ma no' a klele“ („Fahren wir noch ein bisschen“, mit „Oh Susanna . . .“ als Refrain) fest verankert, gleichwohl man sich der effizienten Busverbindungen und seines Autos erfreut. Die großen alten – und neuen – Häuser aus Holz blicken stolz aus zehn oder mehr Fenstern in die Landschaft, moderne Versionen zeigen viel Glas, mutige auch Beton. Davor Gärten mit Gemüse, Blumen, Kräutern, Obstbäumen. Viel Besitz, den es zu pflegen gilt, und das wird stolz getan. „All dra'“ (immer dran) ist man hier am Werken und Arbeiten. Denn wer nichts zu tun hat, ist nicht zu beneiden, sondern zu bedauern: Denn er besitzt ja wohl nichts, mit dem es sich zu beschäftigen lohnt. Kein Haus, das instandgehalten, kein Garten, der gepflegt, kein Obst, das eingemacht werden muss . . . Touristen sind natürlich ausgenommen, die sich hier auf einem Bänklein ausrasten, dort eine Laube bewundern, ein besonderes Haus oder den Ausblick auf Almen, Wälder, Fluss und Fels.

„...ist das Leben doch so schön!“

Sogar die Busstationen sind schön: Ihre Form erinnert an einen Waggon, eine Hommage an das – richtig – Wälderbähnle. Und einige sind weltbekannt: die „Bus Stops“ in Krumbach, einer Idee des Bürgermeisters zu verdanken, der international bekannte Architekten eingeladen hat, Wartehäuschen zu entwerfen, gebaut von regionalen Firmen. Führungen dazu und die „Umgänge Bregenzer Wald“-Kulturspaziergänge in zwölf Gemeinden, die auch per App funktionieren, wurden 2016 mit dem Tourismuspreis ausgezeichnet.

Wer weiter gehen möchte, kann umfangreichere Architekturführungen nutzen. Oder sich die Wanderschuhe anziehen und einfach losziehen. Von der beliebten Tour Bödele–Lustenauer Hütte über die eindrucksvolle Kanisfluh und die bei Drachenfliegern begehrte „Niedere“ bis zur anspruchsvollen Mohnenfluh (wo die Bregenzer Ach entspringt) lässt sich das weitverzweigte Tal gut erwandern. Praktisch erschlossen durch Seilbahnen (etwa in Mellau und Bezau, in Andelsbuch beeindruckt ein alter Doppelsessellift mit gesponserten Sesseln) und Bussen. Themenwege wie die Käsestraße oder Schauwerkstätten und Museen lassen auch schlechtes Wetter gut werden. Etwa das Angelika-Kaufmann-Museum mit Infos zur berühmten Malerin und wechselnden Sonderausstellungen oder jenes über Franz Michael Felder, Sozialreformer anno 1860.

Und natürlich das Frauenmuseum – es erhielt kürzlich den Museumspreis 2017 – in Hittisau, derzeit mit der Ausstellung „Baumeisterinnen aus Ololokawan“, die ihre eigenen Lehmhäuser bauen. Das 2000 errichtete Museumsgebäude, das auch die örtliche Feuerwehr beherbergt, gilt als Vorreiter des Holzbaus für nicht private Zwecke. „Kirchen, Ämter, Schulen – dafür nahm man Ziegel oder Stein. Holz galt als nicht haltbar und repräsentativ genug“, erklärt Cornelia Kriegner vom Tourismusverband. Die Gastronomie – etwa das Krone in Hittisau oder das Engel in Bezau, in dem der Frühschoppen eine akademische Viertelstunde nach Beginn der Sonntagsmesse startet, während sich die Übernachtungsgäste nicht vom guten Frühstück losreißen möchten – hat sich vor Holz nie gescheut. Außen Schindeln, innen Vertäfelungen – das Prinzip ist in Privat- wie Gasthäusern gefragt.

Wirtschaftlichkeit und Design trifft sich auch im Werkraum, 2013 vom Architekten Peter Zumthor in Andelsbuch errichtet: eine mehrfach ausgezeichnete Plattform für Handwerker und Künstler der Region. Ausstellungen („Archiv der Formen“, bis 7. Oktober) und Veranstaltungen beleben Ort und Branche: Am 8. September etwa treffen sich Reinhold Bilgeri, Rudolf Knünz, Ingo Metzler und Caroline Theiss-Wolfsberger zur Diskussionsrunde FAQ Bregenzer Wald „Und jetzt?“ zum Thema Entscheidungen.

TIPPS UND INFOS

• Wandern, essen, schlafen, Dorfspaziergänge „Umgang Bregenzerwald“:www.bregenzerwald.at

• Museumsbahn: www.waelderbaehnle.at

• Architekturführungen: www.vorarlberg. travel

• Museen: Frauenmuseum: www.frauenmuseum.at, Angelika-Kauffmann-Museum: www.schwarzenberg.at, Franz-Michael-Felder-Museum: www.au-schoppernau.at

• Werkraumhaus: www.werkraum.at

• Schubertiade: www.schubertiade.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2017)

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