Alpe-Adria-Radlerei: Hauben statt Höhenmeter

Die 37 Kilometer mit 350 Höhenmetern hinauf nach Tarvis machen dank der E-Bikes keine Mühe. Danach geht es fast nur noch bergab durch das Kanaltal. Und hier sind wir am Ziel: der Strand von Grado.
Die 37 Kilometer mit 350 Höhenmetern hinauf nach Tarvis machen dank der E-Bikes keine Mühe. Danach geht es fast nur noch bergab durch das Kanaltal. Und hier sind wir am Ziel: der Strand von Grado. Imago
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Radtouren verlangen nach guter Küche. Eine E-Bike-Testfahrt auf der Ciclovia Alpe Adria von Kärnten nach Friaul.

Die Kombination von Radreisen mit guter Küche war bislang wenig beachtet, weil der Radsportler nach einem üppigen Mittagmahl nur noch schwer zu motivieren ist, in die Pedale zu steigen. Der E-Biker hingegen lächelt und lässt den Elektromotor arbeiten, während er mit sanft rotierenden Beinen gemütlich verdaut und die Landschaft an sich vorüber ziehen lässt.

Für einen Selbstversuch, mit dem E-Bike gastronomisch zu reisen, gibt es kaum eine bessere Option als die Ciclovia Alpe Adria. Ciclovia heißt auf Italienisch nur profan Radweg, aber es klingt, als ob man mit Monica Bellucci auf einem Tandem durch die Toskana radelt. Die Ciclovia führt von Salzburg bis nach Grado, wir beschränken uns aber auf den Abschnitt von Spittal bis nach Friaul. Wir folgen dem Radweg am Drauufer nicht lange, denn schon nach wenigen Kilometern droht die erste ernsthafte Ablenkung: Bei Oberamlach windet sich eine schmale, steile Straße hinauf zum Kleinsasserhof, der eben vom Falstaff zum originellsten Gasthaus Österreichs gekürt wurde. Für das frisch aufgeladene E-Bike ist der Abstecher kein Problem, ein gutes Viertelstündchen geht es zügig bergauf und wir stehen vor der bunt bemalten Fassade, finden einen Tisch in dem mit Kitsch, Kunst und Trödel ausstaffierten Lokal samt Astronaut und Elchkopf und freuen uns auf die Klassiker, die Fritattensuppe in der Porzellanschüssel und das Bauernschweinsbratl mit Sauerkraut und Serviettenknödel.

Derart gestärkt rollt die Truppe wieder hinunter zur Drau und schnurgerade Richtung Villach. Beim Radbutler direkt am Drauufer in Villach parken wir die E-Bikes, nehmen die Treppe hinauf zum Nikolaiplatz und sitzen wenig später im schattigen Gastgarten des Villacher Brauhofs. Der gastronomische Ableger der Villacher Brauerei bietet nicht nur ein stattliches Sortiment an Bieren, sondern auch Klassiker wie Bierzwiebelbrezen mit weißem Rettich, Schwarzbrot mit Gailtaler Karreespeck oder einen Spinat-Schafskäsestrudel für vegetarische Radler. Die wenigen flachen Kilometer bis zum Abendquartier im Karawankenhof fährt das E-Bike fast alleine.

Nur noch bergab

Der nächste Tag beginnt auf dem Radweg neben der Autobahn hinauf zum Dreiländereck bei Arnoldstein und nach Tarvis. Die 37 Kilometer mit 350 Höhenmetern machen keine Mühe. Wir sind jetzt auf 715 Meter Höhe, nun geht es fast nur noch bergab durch das Kanaltal ins Friulanische. „Danach geht es auf der alten Trasse der Pontebbana-Bahn mit einigen Tunneln und immer abseits des Verkehrs“, verspricht Paco Wrolich, ehemals Radprofi und Tour-de-France-Teilnehmer und heute Radkoordinator in Kärnten. Das Kanaltal hat viele Attraktionen abseits der Autobahn. Das ist auch der Grund, warum der Radtourismus hier floriert. Und gleich nebenan wartet ein verlockender Wallfahrtsort. Wir parken bei der Talstation am Monte Lussari, wo uns die Kabinenbahn schnell, aber ohne Rad hinauf zur Bergstation bringt. Ein kurzer Spaziergang zur Marienwallfahrtskirche auf 1766 Meter und zum Gipfel mit Blick über Karawanken und weit hinüber zu den Tauern und zum Großglockner, bevor man sich der bekannt guten friulanischen Küche in einem der schlichten Gasthäuser widmet.

In der Locanda del Convento gibt es heute Ravioli mit Montasio, dem berühmtesten Käse der Region. Nach der Talfahrt radelt es sich ganz ohne Kraftanstrengung bis Malborghetto, ein idyllisches Dorf mit einem gemütlichen Zentrum und einem ziemlich ungewöhnlichen Lokal – ideal für eine Kaffeepause. Die Casa Oberrichter ist ein historisches Gasthaus, in dem die Gastgeber Marina und Silvano ein Spielzeugmuseum eingerichtet haben. Wir lassen Malborghetto hinter uns, rollen geradeaus durch das Kanaltal, passieren Tunnel und das lebhafte Zentrum von Pontebba und landen eine halbe Stunde später und nach insgesamt 80 Kilometern am Bahnhof von Chiusaforte, wo uns ein bärtiger Schaffner mit blauer Uniform und roter Dienstmütze empfängt. Der ist zwar nur eine Puppe, dafür sind die viele Radler echt und sehr lebendig, die sich in der zur Trattoria umfunktionierten Bahnstation stärken. Wirt Fabio führt das Lokal seit fünf Jahren und erzählt stolz, das sich heuer im Frühjahr die Zahl der Gäste glatt verdoppelt hat, weil immer mehr auf dem Radweg unterwegs sind. Spaghetti und der folgende Espresso kommen pünktlich und in bester Qualität. Schweren Herzens beenden wir unsere Probefahrt. Grado wäre ein verlockendes Ziel, dazwischen noch Begegnungen mit San Daniele-Schinken, mit Polenta und den Weißweinen aus dem Collio-Gebiet. Wir kommen garantiert wieder. Die Ciclovia hat übrigens gute Chancen, die erste große Radtour zu werden, bei der wir zunehmen, nicht abnehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2017)

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