Griechenlands Mitte: Eremitische Sehnsüchte und Würste mit Lauch

Nonnenkloster Roussanou.
Nonnenkloster Roussanou.(c) imago/blickwinkel (B. Trapp)
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Ganz ohne Meer, dafür zwischen Himmel und Erde schwebend – zwischen den gigantischen Felsnadeln von Meteora und ihren Klöstern zu Fuß und mit dem gratis-Leihrad im Kleinstädtchen Trikala unterwegs.

Es ist wie die Erinnerung an einen Fiebertraum: Der Tagesausflug zu den Meteora-Klöstern – vor 20 Jahren, angeboten von einem der Hotels auf einer der Sporaden-Inseln. Die stundenlange Anreise mit der Fähre, dann mit einem Bus. Aus der flirrenden Hitze tauchten sie dann auf, plötzlich, diese unwirklich schöne, atemberaubende Kulisse: Graue, bizarr aufragende, wie aus Beton gegossene Felsen. Schon wand sich Bus hinter Bus die Serpentinenstraße hinauf, die Touristen wurden vor einem der Klöster ausgeladen, die auf diesen Spitzen thronen, sie wurden durchgeschleust über Brücken, enge Treppen hinauf und hinab, in Souvenirshops und dunkle Kirchen mit den üblichen goldenen, düsteren Ikonostasen, also Ikonen-Wänden, die nicht so alt sind, wie sie aussehen. Dann saugt der Bus den Strom wieder ein. Und retour geht es in die Hotelanlage.

Agia Triada.
Agia Triada. (c) imago/Kai Horstmann (Kai Horstmann)

Meteora, das kann kunsthistorisch der große Nepp sein. Den Eindruck dieser spektakulären Landschaft aber vergisst man dennoch nie. Man sollte in diese Region zurückkehren, sich Zeit nehmen für diese wenig bekannte nördliche Mitte Festland-Griechenlands. Am schönsten ist hier außerhalb der Saison, außerhalb der sengenden Hitze, im Frühling oder im Herbst.

Wo die Musen wohnen

Man kann den Zug nehmen von Athen – in den kommenden fünf Stunden bis Kalampaka gleitet die griechische Geschichte an einem vorbei – Delphi mit seinem Orakel. Oder der Gebirgszug des Parnass, wo im Alten Griechenland die Musen der schönen Künste wohnten. Vielleicht wohnen sie noch immer dort, man weiß es nicht so recht – die Griechen sind keine großen Wanderer. Noch nicht – man glaubt es kaum, so schön, so grün wie es hier ist. Erst vor fünf Jahren begann eine Gruppe junger Einheimischer in Meteora Wanderungen anzubieten, weg vom Massentourismus, hin zu einem nachhaltigen Angebot.

Dimitri holt uns ab von einem der kleinen Guesthouses im kleinen Dorf Kastraki, um die Ecke vom touristischen Hauptort der Meteora-Gegend, Kalambaka. Von den kleinen, romantischen Zimmern, teils mit Kamin, und den lauschigen Balkonen blickt man direkt auf die bis zu 500 Meter hohen Felswände, durch die man gleich gehen wird – zwischen ihnen hindurch, auf sie hinauf, um sie herum. Mehr als 1000 größere und kleinere dieser irdischen, steinernen Fingerzeige sollen es sein.

Sie sind in Urzeiten, vor zehn Millionen Jahren, vom Wasser derart pittoresk herausgeschwemmt worden. Im neunten Jahrhundert zog es dann die ersten Eremiten, vom Berg Athos kommend, hierher, sie lebten in Höhlen – noch heute sind einige bewohnt. Es sind versteckte Plätze, fernab der sechs noch aktiven Klöster, in denen mittlerweile mehr Nonnen als Mönche wohnen.

Dimitrios aber führt uns zu den kleineren Behausungen, wo man noch ein Gefühl für die ursprüngliche eremitische Sehnsucht bekommt, die auch den Namen Meteora erklärt: zwischen Himmel und Erde schwebend. Man sieht die Stricke, die Körbe und die Leitern, die hinauf führen über das glatte Steinkonglomerat. Zu jeder dieser Wohn-Höhlen kennt er eine Geschichte – zum Beispiel die von dem Mönch, der Holz holen ging und für Jahre von einer Bauernfamilie aus seiner eigenen Höhle ausgesperrt wurde.

Stachelige Eiseneichen

Restaurant To Xani.
Restaurant To Xani. (C) Toxani.gr

Maximal zwölf Leute umfasst eine Wander-Gruppe von Dimitrios, der auch Foto-Routen oder Sonnenuntergangs-Touren unternimmt. Und immer beneidet er seine Gäste. Um ihr Staunen nämlich, wenn er sie zu den spektakulärsten Aussichtspunkten führt. Er sieht sie zwar noch, diese Schönheit, in der er aufgewachsen ist. Aber staunen kann er nicht mehr. Er kennt jeden Baum, jede Blume – die stachelige Eiseneiche, die weiß blühenden Mirabell-Bäume. Der studierte Botaniker lässt seine Gäste hier an Thymian riechen, dort an Minze. Es geht auf bemooste Felsen und durch sonnige Wäldchen. Älter als 20 Jahre ist hier kein Baum, erzählt er in bestem Englisch, alles war früher Weidefläche für Schafe. Seitdem aber alles durch das Unesco-Weltkulturerbe geschützt ist, dürfen nicht einmal mehr Wandermarkierungen angebracht werden. Ohne Dimitrios ist man verloren hier. Er reicht uns Wasser, Mandeln und Rosinen. Die großen Klöster über und neben uns lassen wir aus. Dort stehen die Busse, dort sind die Tagesausflügler von den Inseln. In zwei, drei Stunden sind sie wieder weg.

„Bleierne Moschee“

Wir bleiben. Essen in einer der traditionellen Tavernen im Zentrum von Kalambaka, „Panellinion“. Hier bekommt man jene Würste mit Lauch, die für Meteora lokaltypisch sind. Am nächsten Tag führt der Trip übers griechische Festland weiter – mit dem Bus nach Trikala – verschrien als Hitzekessel im Sommer, in der Nebensaison eine lebhafte Kleinstadt praktisch frei von Touristen. Man legt Wert auf die Umwelt, es gibt gratis Leihräder für alle am Hauptplatz, mit denen man neben dem Flüsschen Lithaion entlangradeln kann. Über die von französischen Ingenieuren 1886 gebaute Eisenbrücke am Beginn der Fußgängerzone, wo sich ein Café neben das andere reiht, geht es hinauf zur verfallenen Burg, im Mittelalter der Sitz des serbischen Zaren Duschan.

Wir umkreisen mit dem Rad die historische Moschee, die 1550 erbaute „Bleierne Moschee“, ein Unesco-Weltkulturerbe, und spähen durch die großen Fenster. Das Gebäude wird heute als Kulturzentrum benutzt. In der Ferne sieht man das mit Schnee angezuckerte Pindos-Gebirge. Mit dem Mietauto ist man in zwei Stunden dort oben – Griechen wandern vielleicht nicht, aber sie fahren hier Ski und reiten, im Frühling und Herbst liegen die Ski-Orte geisterhaft verlassen da.

Direkt an der Straße ins Gebirge bestaunen wir noch die uralte gewölbte Steinbrücke in Pili, schmal und steil, „Porta Panagia“ genannt. Zurück in Trikala gönnen wir uns beim Bahnhof noch eine letzte Stärkung im „To Xani“, einem der ältesten Restaurants dieses Städtchens, eine veritable Empfehlung – authentisches griechisches Essen. Es wurde kein Moussaka!

Die Reise wurde zusammengestellt von Discover Greece

https://www.discovergreece.com/de

METEORA ERWANDERN

Anreise: Flug mit Aegeanair nach Athen. Übernachtung in Kastraki: Guesthouse Sotiriou Petrino. www.guesthouse-sotiriou.gr
Panellinion Restaurant, Kalambaka

Wandertouren durch Meteora: Visit Meteora, www.visitmeteora.travel

Mietauto in Trikala: Best Rent

Restaurant in Trikala: To Xani, www.tavernatoxani.gr

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2017)

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