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Über die unendliche Ödnis des Cirque du Soleil, und wieso ein Zirkus viel besser ist, in dem ein Hirtenhund kopulieren will.

TIPPS

Als Kind war ich gerne im Zirkus. Der Österreichische Nationalzirkus gastierte jährlich in Salzburg-Taxham, geleitet von einer Frau, die mir unendlich alt erschien und auch so hieß: Elfi Althoff-Jacobi. Ich mochte, wie sich die Artisten mit Schaukeln durch das Zirkuszelt schwangen, ich bewunderte die intelligenten Schimpansen, und mich faszinierten Raubtiere, die durch brennende Reifen sprangen. Einmal gab es einen „bösen“ Dompteur mit Glatzenmaske, der die Löwen anbrüllte und mit der Peitsche knallte – er versetzte mich in Furcht.
Später lernte ich einen anderen Zirkustypus kennen, den Roncalli in München. Er beschäftigte keine Tiere, stank nicht nach Sägemehl, und die Clownnummern waren auch für Erwachsene lustig. Solche Zirkusse hatten ungleich bessere Chancen, zu Unterhaltungsbetrieben des 21. Jahrhunderts zu werden! Schrecklicherweise wurden sie das wirklich.

Die perfekteste Unterhaltung sah ich im Hotel Mirage in Las Vegas. Dort, wo die Zauberkünstler Siegfried & Roy jeden Abend mit ihren weißen Tigern aufgetreten waren, bis einer 2003 Roy fast auffraß, spielte man jetzt das Musical „Love“ mit Musik der Beatles. Es wurde vom Cirque du Soleil aufgeführt, eine athletische, artistische Performance, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Die vom Band eingespielten Beatles-Songs waren vom legen­dären Produzenten George Martin mithilfe seines Sohns so perfekt glattpoliert worden, dass sie völlig abgestorben klangen, und die großartigen Leistungen der Cirque-du-Soleil-Sportler wirkten unriskant wie Special Effects. Im Mirage konnte man das Ende der Kunstform Zirkus erleben: die ödeste Manege aller Zeiten. (Ab 2011 werden die ­Beatles übrigens durch Michael Jackson ­ersetzt.)
Ganz im Gegensatz dazu steht der Zirkus Aros, der 2010 unter anderem in Güssing gastiert hat. Ein Familienbetrieb des Direktors Markus Reinhard, der auch als Kartenverkäufer, Clown und Dompteur fungiert. Die erste Nummer besteht aus vier Kamelen, viermal 800 Kilo, die mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit eng aneinander gepresst im Kreis rennen. Unglaublich!

Ein „international berühmter Zauberer“ gibt Kartentricks zum Besten und zerteilt eine Jungfrau – die gleichzeitig als Pudeldresseurin arbeitet. Zwei Pudel und ein Hirtenhund laufen in die Manege, Letzterer will allerdings dauernd mit einem der Pudel kopulieren. Der Zauberer – er tritt später noch als Hilfsdompteur auf – versucht verzweifelt, den Hirtenhund von den Pudeln fernzuhalten. Danach eine Nummer, in der doggengroße Esel über Holzstangen hüpfen. Und der Seilartist ist im Nebenberuf Platzanweiser und „Clown Luigi“.

Insgesamt gibt es im Zirkus Aros an die 30 Rollen, aber wenn am Ende die Artisten einziehen, stehen da genau sechs Leute. Die Zuschauer gehen zufrieden heim, weil sie etwas erlebt haben. Vielleicht ist keine einzige perfekte Nummer dabei, aber man sieht ein paar Leute, die alles geben – wie in einem echten Zirkus!



Martin Amanshauser, "Logbuch Welt", 52 Reiseziele, www.amanshauser.at, Bestellinfo: Online oder Fax: 01/514 14-277.

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