"Holi": Farbenflash zu Ehren indischer Götter

Ausgelassen und bunt feiern indische Familien in diesem Jahr ab dem elften März zu Ehren der Götter das Fest „Holi“. Das Kastensystem verliert für kurze Zeit seine Bedeutung.

Spannung liegt schon am Vorabend in der Luft. In Jaipur, mitten in Rajas­than, beginnt das heilige Fest der Inder. „Holi“, flüstern die wartenden Familien. Der Winter hat ein Ende, mit dem elften März fängt der Frühling an. Männer schlendern durch die Straßen, Frauen in festlichen, bunten Saris sitzen auf den Treppen vor ihren Häusern, scherzen und tuscheln. Sie offerieren süßen Tee mit nach Rosen duftendem Gebäck. Kinder toben herum. Bunte Papierdrachen und Haufen überall, „gefüttert“ mit Stroh und getrockneten Kuhfladen, geschmückt mit Blumengirlanden, Kräutern und Bildchen.

Der Abend der heiligen Freudenfeuer steht bevor. Die Legende besagt, dass der egoistische Dämonenkönig Hiranyakashyap vergebens versuchte, seinen Sohn Prahlad zu töten – aus Enttäuschung darüber, dass dieser nicht ihm, sondern Vishnu die göttliche glühende Ehre erwies. Schließlich ersann der Vater einen listigen Plan: Seine Schwester Holika, durch besondere Kräfte vor Feuer geschützt, stieg mit dem Kind in die züngelnden Flammen. Aber das Feuer verschonte das Kind und verbrannte
Holika.


Elefant im Leopardenkostüm. Plötzlich rasen zwei junge Männer auf einem Motorrad durch die Gasse, in der Hand hält der Sozius eine Fackel aus brennendem Schilfrohr. In Windeseile und unter großem Gejohle entzünden sie die Strohhaufen in den Straßen. Ein Bildnis von Holika lodert in den Flammen, das Zeichen für den Triumph des Guten über das Böse. „Happy Holi“ wird von allen Seiten gewünscht. Die Stadt versinkt im qualmenden Rauch. Hinter den Schwaden steigt der Vollmond auf. Unermüdlich sind Händler mit Karren unterwegs, auf denen sie Häufchen an Farbpulver vorsichtig balancieren – das unter anderem dazu gebraucht wird, Elefantenhaut kunstvoll zu färben.

Schon in den frühen Morgenstunden wandern die grauen Dickhäuter mit ihren Reitern zum großen Turnier, unbeeindruckt von den vielen hupenden Autos. Lässig fragt ein junger Mann vom Elefantenrücken herunter: „You want?“ Der Elefant bekommt das Kommando, sich hinzulegen. „Gut festhalten, wenn er aufsteht“, ruft der Elefantenführer. Zugegeben, es kostet die Gäste erst einige Kraft, aber dann sitzen sie entspannt auf dem Tier.

Trocken sind die Sträucher und Büsche, nur vereinzelt sieht man grünes Gestrüpp oder große dunkelgrüne Blätter an den Bäumen; ockerfarben oder rötlich glänzen die großen, alten Paläste auf den Hügeln rund um Jaipur. Die Serpentinenstraße führt vorbei am Jal Mahal, dem Wasserpalast, der während des Monsunregens wirkt, als würde er schwimmen. Anschließend ein Besuch im Affentempel: Gurus mit zerzausten Haaren versenken sich in meditative Gesänge, ein Schlangenbeschwörer preist seine Kunst. Misstrauisch beäugen ihn die Besucher, unsicher, ob er der Kobra das Maul zugenäht hat. Nach diesem ruhigen Landausflug per Elefant geht es zurück ins Gedränge.


Match der großen Tiere. Lautes Treiben, wildes Gehupe: Dreirädrige Motorrikschas und schwitzende Fahrradrikschafahrer stauen sich im Smog. In der Mittagshitze am Chaughan-Stadion in Jaipurs Altstadt werden die Elefanten so richtig bemalt und geschmückt. Viel Farbpulver rühren die Künstler in Flüssigkeit an und tragen es auf die grobe Haut auf. Prächtige Zeichnungen und Tiergemälde entstehen. Die Augen eines gemalten Leoparden sind die echten des Elefanten, weshalb das Bildnis mit den zwei Köpfen auf dem Rüssel fast lebendig wirkt. Das Maul des Leoparden ist offen, eine tiefrote Zunge hängt heraus, lange weiße Zähne und Krallen blitzen gefährlich. Bunte Farben und kunstvolle Blumenornamente leuchten an den Elefantenohren und -beinen.

Auf die Rücken hieven die Reiter schwere Sattel und verschnüren sie mit dicken Tauen. Dann legen auch die stolzen Eigentümer der Elefanten Hand an. Salim Khan ist einer von ihnen. Er schmückt die Stirn seines Tieres mit einem dreieckigen Silberplättchenteppich, drückt weiße Rohre mit Silberornamenten auf die Stummel der Stoßzähne und behängt sie mit Stoffstreifen. Die eingewebten Silber- und Goldfäden funkeln in der Sonne.

Das Stadion füllt sich. Männer mit seidenen Turbanen reiten auf den ausstaffierten Elefanten in die Arena. Klassische indische Tänzerinnen treten auf, begleitet von Musik – Sitar, Tabla und Shehnai, ein oboenartiges Instrument.


Turnierbeginn
. Zwei Reiter pro Elefant, ein Lenker, ein Spieler, sechs Elefanten pro Mannschaft stellen sich auf. Anpfiff. Erstaunlich, wie gut die mächtigen Tiere beschleunigen. Im Pulk versuchen die Spieler, mit ihren langen Poloschlägern das Runde ins Eckige zu keilen. Tor! Nicht nur die Kinder springen auf vor Aufregung. Das Spiel der Elefanten verläuft wie in Zeitlupe. Und dennoch wirken die Tiere wendig, geschickt manövrieren sie in der Gruppe um den Ball. Später, im Finale, fällt das 6:3, Abpfiff, die Siegermannschaft wird gefeiert. Noch einmal marschiert die Garde der prächtig geschmückten Elefanten auf. 
Bunt bekleckst sind sich die Inder näher. Am nächsten Morgen weckt einen lautes Lachen und Gekreische. Ein Blick vor die Tür, sofort kommen Leute angerannt und pulvern einen mit bunten Farben an. „Happy Holi!“, wünscht man sich.


Schlacht der Farben. Auch der Uneingeweihte darf hier Wasserpistolen mit Farbflüssigkeit laden. Denn alles ist erlaubt – eine riesige Farbschlacht wird veranstaltet. An diesem Tag, einmal im Jahr, fallen alle Standesregeln. Der Diener darf den Maharadscha umarmen, jeder darf jeden mit Farbpulver oder flüssiger Farbe bespritzen – eine emotionale Explosion.

Traditionelle Familien sind schon Wochen zuvor mit der Herstellung der natürlichen Farbe beschäftigt. Wie beim Keksebacken haben die Großmütter immer noch die besten Rezepte: Rotes Sandelholzpuder, leicht gestoßen, ist zugleich auch gut für die Gesichtshaut. Die rote Hibiskusblüte wird über Nacht in Wasser eingelegt. Kräftiges Grün wird aus purem Hennapuder produziert. Auch heute noch weihen Heilige die heilenden Farben auf dem Altar, schließlich sollen sie Segenswünsche überbringen. Immer öfter werden allerdings chemische Farben eingesetzt, die teilweise sogar schädlich sind, und so mancher Tourist hat nach einem Besuch der Innenstadt den Mund voll davon.

Im Hotel verkriechen sich einige, denen das Spektakel auf Dauer zu extrem ist. Aber auch dann entkommt man mitunter nicht. Denn es kann durchaus vorkommen, dass die Hoteldirektorin einen Kübel nimmt, ihn mit Wasser füllt, etwas Farbpulver hineinschüttet und das Ganze freundlich grinsend einem Gast über den Kopf leert. Zuerst wahrscheinlich fassungslos, begreift der dann aber doch die Freundlichkeit der Geste – und sieht’s als Auftakt für eine neue Runde in der Farbschlacht.

AUSKÜNFTE

Indische Fremdenverkehrszentrale: Baseler Straße 48, D-60329 Frankfurt/Main, Tel.: 0049/69/24 29 49-0, www.india-tourism.com
Stand Ferienmesse Wien: Stand A0104

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.