Finnland: Hitzewallungen, Höllenmusik, Himmelstänzer

Finnland Hitzewallungen Hoellenmusik Himmelstaenzer
Finnland Hitzewallungen Hoellenmusik Himmelstaenzer(c) EPA (Seppo Sirkka)
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Gesundschwitzen in einer transparenten Sauna im Stadtzentrum – Turku, Europäische Kulturhauptstadt 2011, hat unter Beteiligung der Bürger ein hochoriginelles und teils skurriles Programm zusammengestellt.

Ungefähr 30 Mal ist Turku abgebrannt. Verheerend war insbesondere die große Feuersbrunst von 1827, die beinahe die gesamte Altstadt zerstörte. Mehr als 2500 Holzhäuser fielen damals den Flammen zum Opfer. Die Folgen sind heute noch im Stadtbild zu sehen. So steht zum Beispiel die Kathedrale ungewöhnlich frei, und den Marktplatz im Zentrum säumt ein wilder architektonischer Mix aus Altem und Neuem.

Da zeugt es schon von einem gewissen Maß an Selbstironie, ausgerechnet eine lodernde Flamme als Logo für die finnische Kulturhauptstadt auszuwählen und das Programm unter das Motto „Turku in Flammen“ zu stellen. Mit den zahlreichen Bränden der Stadtgeschichte beschäftigt sich denn auch die Hauptausstellung, „Fire! Fire!“, in einer ehemaligen Reparaturhalle für Lokomotiven, die zum neuen Kulturzentrum Logomo umgenutzt wurde. Anhand eines Architekturmodells wird der große Brand von 1827 mit Licht und Rauch nachgestellt. Besucher können versuchen, Turku zu retten, indem sie sich als Stadtplaner betätigen und die Stadt feuersicher erbauen. Im Logomo kann man besagten Stadtbrand aber auch völlig anders erleben: Im „1827 – Infernal Musical“ donnert Heavy-Metal-Musik das traumatische Ereignis wie einen Feuersturm durch die Ohren des Publikums.

Doch die Flamme im Logo soll auch ein Symbol für etwas Neues sein. Sie soll die Wirtschaft der 177.000 Einwohner zählenden Stadt ankurbeln. Mit zehn Prozent Arbeitslosen und einer Werft-Pleite im Nacken spekulieren die Organisatoren des Kulturjahres auf einen anhaltenden Aufschwung, den ebenfalls kriselnde Städte wie Liverpool aus ihrem Kulturjahr mitgenommen haben. Sie rechnen mit zwei Millionen Touristen anstelle der 700.000 in normalen Jahren. Und damit ihnen die fünftgrößte Stadt Finnlands etwas zu bieten hat, wurde einiges getan.

Erlebnisweg am Wasser

Die vier Kilometer langen Fußwege beiderseits des Flusses Aura, der Turku wie eine Lebensader durchzieht, sind restauriert. Sie verbinden die beiden Wahrzeichen der Stadt, die Kathedrale und Finnlands größte Burg. Am Weg liegen das Sibelius-Museum, das Ars-Nova-Museum für zeitgenössische Kunst, die neue Bibliothek mit ihrem geschützten Innenhof und das Forum Marinum im Hafen – alles Ausstellungs- und Veranstaltungsorte, nicht nur im Kulturjahr 2011. Brücken und eine kostenlose Fähre, von den Einheimischen liebevoll Föri genannt, verbinden die Ufer. Vor allem am Wochenende ist die Promenade eine beliebte Flaniermeile. Die schwimmenden Restaurants, die zahlreichen Cafés und Bars sind gut besucht.

Am 15. Jänner dient der Fluss als Kulisse für die Eröffnungsshow. Die britischen Eventkünstler Walk the Plank zünden unter Mithilfe von 2000 Turkuern in der ehemaligen Wärtsilä-Werft ein Spektakel mit Feuerwerk, Lichtbildern und einem 500-köpfigen Chor. In den wärmeren Monaten wird im und am Fluss Märchenhaftes passieren. Das Umweltkunstprojekt Flux Aura etwa lässt riesige Eiderenten über den Zustand der Ostsee deklamieren. Menschen rollen in gläsernen Kugeln übers Wasser, Lichtgestalten richten sich unter der Brücke bei der Kathedrale häuslich ein. Mit etwas Glück kann man der schwimmenden Prozession der Phantasy Armada zuschauen: Da steuert ein Gnom eine Wasserlilie, und dort tanzt eine Fee auf einem Blatt. Während der Night of the Ancient Bonfires werden schließlich zum Abschluss des Sommers Trapezkünstler mit Taschenlampen über den Fluss wirbeln. 2008 hatte die Stadt die Kulturjahr-Veranstaltungen öffentliche ausgeschrieben. Die Bevölkerung nahm rege teil, viele der 150 Projekte gehen darauf zurück und beziehen die Stadtbewohner mit ein. So arbeiten Kinder zum Beispiel mit ihren Zukunftsvisionen an der Oper „Turku 3011“, 200 Laiendarsteller führen im Logomo das Musical Middle-Aged Hair auf, und Studenten der Universität Turku untersuchen die Verbindung zwischen Kultur und Wohlbefinden.

Da darf die Saunatradition natürlich nicht fehlen, schließlich sind wir in Finnland. Fünf öffentliche Saunen, von finnischen Künstlern entworfen, laden Touristen und Einheimische im Sommer unter dem Namen SaunaLab in verschiedenen Teilen der Stadt zum gesunden Schwitzen ein.

Man hat die Wahl zwischen einer transparenten Sauna mitten im Stadtzentrum, einer Rauchsauna aus Torfblöcken oder einer Sauna im Fluss Aura, in der man das Unterwasserleben durch den Bodenrost betrachten kann. An die Wände eines weiteren Schwitzbades wird die Schärenlandschaft um Turku projiziert, und im Stadtpark wartet eine Sauna in Form einer gelben Knoblauchzehe aus Fiberglas auf Besucher. Skurril? Aber gar nicht, finden die Finnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2011)

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