Das Hotel in Tirol als großer Zweitwohnsitz

Die Hotellerie in Österreich leidet unter Nachfolge- und Finanzproblemen. Doch die Investoren aus dem Ausland sind schon da – die Russen beispielsweise, die sich mit der Übernahme eines Hotels angeblich gleich auch einen attraktiven Zweitwohnsitz schaffen.

Als 2008 die Bagger in Lech auffuhren, wussten die Einheimischen ganz genau, was hier passiert: „Dar Russ' but si an Zweitwohnsitz.“ Aus dem Vorarlbergischen übersetzt: Der russische Milliardär Oleg Deripaska reißt das alte Hotel ab und baut sich dort, mitten in der Vorarlberger Bergwelt, unerlaubterweise einen Wohnsitz.

Mittlerweile stehen zwei schöne Bauernhäuser in bester Lage in dem Nobelskiort, sie firmieren unter dem Namen Hotel Aurelio. Die riesige Anlage hat bescheidene 19 Zimmer und eine Master Suite mit einer Fläche von 200 Quadratmetern. Genug für eine Familie, um dort gemütlich zu leben – und genau deswegen verstummen auch die Geschichten nicht, dass das Fünf-Sterne-Hotel in Wirklichkeit nur eine große Tarnung für Deripaskas Zweitwohnsitz ist.

„Ich kenne die Gerüchte“, sagt Lechs Bürgermeister Ludwig Muxel. „Da ist nichts dran. Wir prüfen das regelmäßig, es gibt ständig Gästemeldungen. Das wird als Hotel geführt.“ Und der Hotelbesitzer hat ja jedes Recht, in seinem eigenen Hotel Urlaub zu machen – in der Master Suite etwa.

Wenn man in Tirol mit Einheimischen spricht, dann bekommt man den Eindruck, das österreichische Heilige Land stehe kurz vor der Übernahme durch die Russen. „Das ist natürlich recht medientauglich“, sagt Johann Schenna, Bundesobmann Tourismus bei der Wirtschaftskammer. „Immer, wenn ein Russe ein Hotel kauft, macht das Schlagzeilen.“ Und in den vergangenen Jahren gab es einige Schlagzeilen: In Kitzbühel errichtete Elena Baturina, Frau des ehemaligen Bürgermeisters von Moskau, das Hotel Grand Tirolia, in Osttirol eröffnete die russische Bankerin Tatjana Maximova das Hotel Zedern Klang – und dann Deripaska in Lech. „Über die Engländer, die sich St.Anton zusammenkaufen, redet niemand“, meint Schenna.


Verschuldete Hotels. Dass Ausländer überhaupt Hotels in Österreich kaufen können, hat einerseits mit der prekären finanziellen Situation der Hotellerie zu tun. Laut Franz Hartl, Chef der Hotel- und Tourismusbank (ÖHT), haben die Vier- und Fünf-Sterne-Hotels in Österreich im Durchschnitt nur acht Prozent Eigenkapital. Die Hotels in der Drei-Sterne-Kategorie haben laut Hartl überhaupt mehr Schulden als Vermögen.

Der Grund: „Die Nachkriegsgeneration hat viel Geld in Hotels investiert und erst dann gerechnet“, erklärt Sepp Schellhorn, Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV). Andererseits wollen sich viele Junge den harten Sieben-Tage-Job eines Hoteliers nicht mehr antun. „Es kommt eine Generation, der dieser Job einfach zu hart ist oder die kalkuliert und sagt, ich kann mir das finanziell nicht leisten“, so Schellhorn. Also gibt es Nachwuchsprobleme und sogar leer stehende Hotels.

Das lockt Investoren an – mehr und mehr auch aus Russland, die bereit sind, Preise zu bezahlen, die ein Österreicher nicht bezahlt. „Wenn ein Russe 30 Prozent mehr bietet, dann verkauft man halt an ihn“, erklärt Hartl.

Tirol hat wegen seiner schönen Landschaft einen besonderen Reiz. „Es gibt einen Trend, dass sich immer mehr internationale Investoren in Tirol umschauen“, bestätigt Sigfried Egger, Obmann der Fachgruppe Hotellerie bei der Tiroler Wirtschaftskammer. Und es seien halt auch Russen, wenn auch nicht in einem Ausmaß, „dass es aufregend wäre“.

Anders ist die Situation in Montenegro, das Russen in den vergangenen Jahren für sich entdeckt haben. Mittlerweile ist die Nachfrage so groß, dass die Quadratmeterpreise in manchen Gegenden auf 1200 Euro kletterten – in einem Land mit einem Durchschnittsverdienst von 200 Euro pro Monat.

Über die Motivation der Investoren aus dem Osten gibt es viele böse Spekulationen: Von Geldwäsche bis eben zur Schaffung eines Zweitwohnsitzes. Das ist in Montenegro mit dem Bau einer Villa leicht möglich, in Tirol aber gibt es strenge Vorschriften, die neue Zweitwohnsitze unmöglich machen. Ein Hotel darf man aber bauen. „Das Ergebnis ist“, sagt Schellhorn, „dass manche halt einfach ein sehr großes Wohnhaus haben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.