Amanshausers Welt: 332 Portugal

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Kleine Geschichten über große Locations.

Drei Stunden Wartezeit auf dem Flughafen von Lissabon. Weil mich ein Heißhunger nach Bacalhau überkommt, wage ich einen Ausflug. Ich nehme – alter Geheimtipp – ein Taxi bei den Departures (denn bei den Arrivals ist diese Warteschlange), zu meiner Verblüffung kriege ich zum ersten Mal eine Taxlerin, grell blond gefärbte Haare, etwa in meinem Alter.

Ich bitte sie, in Richtung Innenstadt zu fahren, ich würde nämlich ein Café mit W-Lan suchen. Sie wendet ein, dass es ein solches W-Lan aber auch im Flughafengebäude geben würde, ich sage, ja klar, aber dort ist alles so hässlich. Sie pflichtet mir bei, „uma grande seca“, eine große Trockenheit, diese Redensart trifft genau den Punkt.

Mit meiner unklaren Zielangabe ist sie unglücklich, also lege ich mich auf Rossio fest, wieso auch nicht. Sie fragt mich, ob ich lange nicht mehr in Lissabon gewesen sei (entnimmt sie das meinem drolligen Akzent?), und jetzt lüge ich sie an: Ich sei 20 Jahre nicht hier gewesen. Oh, sagt sie, einiges habe sich seitdem verändert, manches zum Guten, vieles zum Schlechten. Die Krise sei ausgebrochen, und hier, in der Avenida Almirante Reis, gehöre jetzt alles den Chinesen. Den Chinesen, echt? Ja, den Chinesen. Die haben alles gekauft, sagt sie, dieses Geschäft hier, dieser Straßenzug, alles chinesisch, und dort, die Autos – sie deutet auf eine Reihe schmutziger Lieferwägen – gehören auch den Chinesen.

Die ehrwürdigen Cafés auf dem Rossio Das Suiça und das Nicola haben, wenn man nachfragt, kein W-Lan. Seit 1890 haben sie keines, ein Mangel, der mich nicht irritiert, sondern mit diebischer Freude erfüllt. Hier müssen die Touris quasi in Lissabon bleiben, dürfen sich nicht in ihre iPhones flüchten.

Ich selbst weiche allerdings aus, flüchte mich in eine peruanische Cocktailbar am Rossio-Bahnhof. Auf der Speisekarte steht Ceviche, das beste Essen der Welt, das bekannterweise nur ein Problem hat: Außerhalb von Peru ist es nicht das gleiche.

Ich frage den peruanischen Kellner, ob seine Ceviche echt ist. „Nein“, sagt er, „die Zubereitung ist schon traditionell, aber wir stellen sie aus chinesischem Dosenfisch her . . . sie ist okay . . . aber wenn Sie echte Ceviche wollen, würde ich Ihnen von unserer abraten.“ Ein Glücksgefühl durchströmt mich, so ehrlich ist der Mann. Ich bestelle Gazpacho, Mineralwasser und W-Lan, und jetzt hab‘ ich noch eine ganze Stunde, das heißt, ich finde anderswo noch ausreichend Bacalhau.

Ort

Peruanische Cocktailbar auf der Praça da Estação do Rossio, Lissabon, Portugal.

Tipp

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