Amanshausers Welt: 348: Deutschland

Wir machen’s spontan: kurioses Busstationspaar.
Wir machen’s spontan: kurioses Busstationspaar. (c) Beigestellt
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Kleine Geschichten über große Locations.

Ort

Ein ordentlicher Schriftsteller sollte jährlich nach Frankfurt am Main reisen, aber ich bin da nie. Dafür bin ich in Frankfurt an der Oder in einem prasselnden Maigewitter. Ich rette mich gerade noch in mein hübsches Dreisternhotel Palais am Kleistpark. Als der Regen nachlässt, nehme ich die Tram in die Unterstadt, wo ich vor dem nächsten Schauer flüchte: ins Aussichtscafé im 24. Stock des Oderturms. Schöner Blick auf Stadt und Universitätsgelände, es fehlt nur ein bisschen die Stadt (weggebombt und anschließend DDR).

Zum Glück ist Frankfurts wichtigstes Kulturgut ein ideelles – Kleist. Aus touristischer Perspektive ist es allerdings ein Jammer, dass die Mehrzahl der Kleist-Orte drüben in Polen liegt. Als der Regen schwächer wird, überquere ich die Brücke nach Słubice, ehemals Dammvorstadt, suche ein Café, finde aber nur Spargelstände, Wechselstuben, Zigarettenläden, „Preise sind verhandelbar“.

Drüben in Polen flüchte ich mich in die große Tankstelle, offensichtlich das soziale Zentrum von Słubice, alle Deutschen tanken hier. Der Regen wird zur Sintflut. Ich frage eine Deutsche, die ungefähr in meinem Alter ist, ob sie mich über die Brücke nach Frankfurt zurücknimmt. „Eigentlich nicht“, sagt sie verschämt. Ich sage ihr, dass ich durchnässt bin. „Sprechen Sie doch Männer an“, meint sie. Ich frage, ob sie Angst vor mir hat? Sie lacht bescheuert: „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.“ Ich frage, ob sie im Auto eine Porzellankiste mitführt, merke aber zu spät, dass das  der falsche Humor ist, jetzt kann ich es ganz vergessen.

Zwei Männer nehmen mich mit. Sie schweigen, sind über und über tätowiert, nicht modisch, sondern knastartig. Mir kommt die Idee, es könnten verrückte Perverse sein, die Pornos fürs Internet drehen, vielleicht potenzielle Entführer . . . aber nein, nix passiert, sie lassen mich eh aussteigen, waren nette, freundliche Frankfurter.

Die Straßen sind jetzt Flüsse. Ich renne zu einer überdachten Busstation. Eine Frau auf einem Plakat, das Aids keine Chance gibt, sagt: „Ich mach’s spontan. Klar hab ich Kondome in der Tasche. Unverhofft kommt oft . . .“ Ich stelle mich zu ihr. Tolle Begegnung.

Leider geben wir ein ziemlich kurioses Paar ab, sie ist mir viel zu groß. Im Bus will ich vorn einen Fahrschein kaufen, der Fahrer sieht mich an wie einen Irren. „Automat!“, sagt er knapp. Im Oktober fahre ich vielleicht doch nach Frankfurt am Main. Oder?

Falsches Frankfurt. Restaurant und Café im Oderturm, Logenstraße 8, Frankfurt an der Oder, Deutschland. Shell-Tankstelle bei der Oderbrücke, Słubice, Polen.

Tipp

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