Amanshausers Welt: 351 Spanien

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Kleine Geschichten über große Locations.

Als Kind war ich ein Formel-1-Fan. 40 Jahre später besuche ich, als Vater, erstmals selbst ein Rennen. Mit dem fünfjährigen Jim reihe ich mich in den Tross der Motorsportfans, die Sonntagmorgen in Barcelona in die Schnellbahn steigen und vorbei an Mohnwiesen quer durch Industriegelände fahren, bis Montmeló. Rot gekleidete Ferraristi singen bizarre Choräle, „Hurra, hurra/Der Michael ist wieder da“, hier und da ertönen Schumi-Rufe, und Jim fragt mich, was denn ein Schumi ist. In einem Straßencafé frühstücken wir Tortilla. Jim stellt ununterbrochen Fragen: „Gazpacho, ist das eine Suppe ohne Löffel?“ „Warum lieben die Engländer Bier?“

Tribüne C, Block 3, Reihe 6, Sitz 3. Rundum schreiende Spanier, wortkarge Finnen, halb nackte Briten und ein Mann mit einer Katalonien-Fahne. Mit dem Finger fährt Jim die Karte ab: „Da so – und da so – eine komplizierte Rennstrecke – ist das der schnellere Weg? Oder wo ist der schnellere Weg?“ Knapp vor dem Start gerät ihm Sonnencreme in die Augen. Doch bei der Aufwärmrunde ist der Schmerz vergessen. Konzentriert sitzt er mit seinen Kopfhörern da, ihm entgeht nichts davon, was sich in den vier Kurven tut, die wir überblicken. „Heute fahren alle gut!“ Kein Ausrutscher, kein Dreher, kein Unfall.

Mir fehlt der TV-Überblick, der Kommentar, live muss man wohl „loslassen“. Der Mann mit der Katalonien-Fahne schläft bereits. Wer ist Rosberg, wer ist Hamilton, unterscheidet man sie an den Helmen? Ferrari macht es leicht, Alonso ist der, bei dem viele (außer dem Katalonien-Mann) brüllen. Am Ende des Feldes fahren zwei grüne Autos, laut Programm die Caterhams. „Der vordere Grüne ist nicht Letzter“, sagt Jim.

Bald weiß man allerdings nicht mehr so genau, wer Letzter ist, denn Rosberg und Hamilton überrunden gnadenlos. Wir kennen uns nur so halb aus, aber wir sind glücklich. Der Mann mit der Katalonien-Fahne wird von ein paar einheimischen Ferraristi beschimpft, wir brauchen keine Politik hier, sondern Bier. Am Ende gewinnt Hamilton vor Rosberg, könnte auch umgekehrt gewesen sein. „Die Ohrenstöpsel kann man nur ein einziges Mal verwenden“, bilanziert Jim, „aber die Kopfhörer kann man immer verwenden. Auch für meine Kinder noch.“

Beim Verlassen des Circuits geraten wir in eine Gruppe bayrischer Schumi-Fans. Sie sind bereits schwach vom Trinken. Einer von ihnen sagt versöhnlich: „Das Rennen – so fad es war –, da hab ich schon schlechtere gesehn!“

Ort

Racing. Der Autor wurde von Katalonien Tourisus eingeladen, www.catalunya.com

Circuit de Barcelona-Catalunya, Montmeló, Barcelona, Spanien.

Tipp

www.amanshauser.at

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