Amanshausers Welt: 366 St. Vincent

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Kleine Geschichten über große Locations.

Wir waren per Katamaran von Grenada gekommen und saßen jetzt mit einem Cocktail am Strand von Union Island, der südlichsten Grenadinen-Insel. Es sollte ein gemütlicher Abend werden. Sanft brandeten die Wellen. Nach einer Minute brach die Hölle los. Beine juckten, kribbelten, schmerzten, alle sprangen auf, einer rief: „Sandflöhe! Sandflöhe!“

Sie brauchen Sandflöhe nicht zu googeln, ich hab es für Sie getan, da kommen scheußliche Bilder von verkrusteten Menschenfüßen, sieht aus wie ein neuer Skandal im österreichischen Strafvollzug, aufgedeckt von Florian Klenk.

Am Abend saß ich vollbekleidet im Zimmer vor einem Jasmintee und recherchierte. Das Sandflohweibchen, einen Millimeter groß, springt bei uns auf. Es dringt am liebsten in den Spalt unter unseren Zehennägeln ein. Es bohrt, bis es ein Blutgefäß erwischt, schwillt an, wartet, bis ein Männchen vorbeikommt zur Befruchtung. Die Larven fallen, wenn es nach Sandflohwillen geht, in den Sand. Das Tier in uns stirbt nach wenigen Wochen und wird vom Körper abgestoßen. Immer klarer wurde mir, das war nicht, was wir erlebt hatten. Ganz im Gegenteil – es waren keine Flöhe gewesen, sondern Sandmücken, auch „Poolsauger“ genannt. Nicht, weil sie gern am Pool saugen, sondern weil sie mit ihren breiten Beißwerkzeugen einen Pool aus menschlichem Blut verschlingen. Die schlechte Nachricht ist, sie übertragen Krankheiten wie Papataci-Fieber, Peru-Warzen und Leishmaniose, Letzteres ganz arg. Nicht googeln, ich habe es getan. Sandmücken sind nachtaktiv und befallen nur schlafende Opfer. Was war nun geschehen? Ich fand die gute Nachricht: Es gab 700 Unterarten, und die tropischen Sandmücken sind vergleichsweise harmlos, hinterlassen hunderte Bisse, übertragen nichts Schlimmes. Die wiederum schlechte Nachricht ist, dass man sich kaum gegen sie schützen kann.

Beim Frühstück, gleich neben dem Pool, wollte ich mein neues Wissen über Poolsauger & Co. ausbreiten. Die Kollegen saßen da mit langen Hosen, wirkten, als würden sie ihren Urlaub wegen diverser Todesfälle abbrechen. Zu meiner Überraschung goutierten sie mein neu erworbenes Wissen überhaupt nicht, sie wollten nicht einmal die gute Nachricht hören. „Hör auf mit diesen Schauergeschichten, Martin!“ Liebe Leserinnen und Leser, sollten Sie ab jetzt daheim urlauben wollen, kein Problem, ich teste das alles weltweit für Sie, es genügt, wenn Sie dranbleiben an dieser Kolumne. 

Ort

Sandflöhe, Sandmücken & Co. Strandcafé auf einem Strand bei Union Island, St. Vincent & die Grenadinen

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