Amanshausers Welt: 413 Syrien

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Kleine Geschichten über große Locations.

Allein schon das Heraussuchen meiner Notizen und des Fotomaterials tut mir weh. Die Geschichte beginnt in einem riesigen, leeren Frühstückssaal in Aleppo. Es war knapp nach den Terroranschlägen von 9/11. Der Hotelmanager setzte sich kurz an meinen Tisch. „Sagen Sie Ihren Landsleuten, dass man wieder nach Syrien reisen kann. Wir sind kein gefährliches Land. Nehmen Sie unsere Stadt – Kurden und Araber leben ja auch in Frieden.“ Ich antwortete, dass die Medienwelt ohnehin schnell vergessen würde und der Tourismus bestimmt bald wieder da wäre. Solange es keine Radikalos gäbe. „Bei uns gibt es keine“, sagte er, „ich bin kein Freund von ihnen, aber hoffentlich rotten die Amerikaner jetzt diese Terroristen aus.“ So war Aleppo.

Aleppo ist einer jener Orte, die am längsten durchgehend von Menschen besiedelt sind. Ich bestieg die mächtige Zitadelle, auf der Pasolini 1969 mit Maria Callas drehte und die auf mich wie ein Fußballstadion wirkte. In der Abendsonne glitzerten tausende Satellitenschüsseln, als streckte ein außerirdisches Volk seine Fühler in den Raum. Ein derartiger Anblick war mir neu. So war Aleppo. Ich begeisterte mich für das Sanierungskonzept der Unesco-Welterbe-Altstadt, überall wurde für Revitalisierung und Verkehrsberuhigung geschuftet, die fröhlichen Aleppiner taten alles, um an die glänzende Handelsvergangenheit anzuschließen, als es den Suezkanal noch nicht gab. Ich fotografierte ein Schulmädchen, das mit einem Handy telefonierte – dass die moderne Welt in diese urtümliche einbrach, erschien mir damals malerisch. So war Aleppo.

In den Gässchen, Wölbungen und Kontoren des Suks erfuhr ich vom Unterschied zwischen echtem und falschem Safran, ich probierte die zitronig schmeckenden nordsyrischen Pistazien, und schließlich verlor ich mich in seinen Gängen, die aneinandergestellt zehn Kilometer lang sein sollen. Ein Bub, der Seidentücher verkaufte, las mir die Nationalität von der Nase ab: „Aus Österreich? Aus Wien?“ Er wartete keine Sekunde, ehe er mit großer Überzeugung feststellte: „Rapid wird Meister!“ Seit 2012 herrscht Krieg in Aleppo. Der Suk ist abgebrannt. „In Aleppo stirbt man, sonst nichts – jetzt, wo alles nur noch explodiert und einstürzt“, schreibt die deutsche Tageszeitung „TAZ“. 80.000 Menschen sollen sich noch in der zerstörten Stadt aufhalten. Einige der restlichen zwei Millionen durchqueren derzeit Österreich.

Ort

Zeitzeuge? Der Autor wurde von Studiosus Reisen eingeladen. Altstadt, Zitadelle und Suk von Aleppo, Syrien.

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