Amanshausers Welt: 414 Ghana

Letzte Ruhe.  Laut und schrill sind nur die Sargdesigns.
Letzte Ruhe. Laut und schrill sind nur die Sargdesigns.(c) Beigestellt
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Kleine Geschichten über große Locations.

Bist du Journalist?“, fragt Anthony. Ich nicke vorsichtig. Der Mann aus der Ethnie der Ga klopft mir lachend auf die Schulter: „Immer gut zu wissen. Ich mag nicht, wenn sich Journalisten als Kunden ausgeben.“ Ich frage warum, er grinst mich an: „Na ja, weil ich mit Kunden ein Verkaufsgespräch führe. Mit dir muss ich das nicht tun. Du willst ja am Ende keinen Sarg bestellen, oder?“ Ich erwidere, dass ich vorerst nicht zu sterben gedenke, aber am Ende meines Lebens vermutlich an ihn denken werde. „Wirst du vermutlich nicht“, sagt er.

Der junge Sargbauer zeigt mir seinen Betrieb mit sechs Mitarbeitern in Accras Vorstadt Teshie. Es gibt Särge als Guinness-Dosen, Seven-up oder Accra Brewery, Mehlsäcke, Boeing-Maschinen oder Nike-Sportschuhe, Marlboro-Schachteln, Nokia-Handys oder iPhone-Särge. Mit Innenausstattung, in violetter Seide, Kostenpunkt unter 1000 Euro. „Man kauft Produkte, die im Leben der Verstorbenen eine Rolle spielten“, berichtet Anthony, „Stadtbewohner hängen sehr an Marken, eine Cola-Dose ist leicht zu schnitzen. Aber wenn jemand vom Land kommt, möchte er gern in einem goldenen Hahn bestattet werden, in einem Adler, oder er bringt ein Foto seines Lieblingshundes – das sind schon größere Herausforderungen.“ Laut der Vorstellung der Ga-Ethnie, 700.000 Menschen rund um Accra, geht das Leben im Jenseits ungehindert weiter – seit den Siebzigerjahren in bunten
Särgen.

„Merkwürdig, was die Europäer mit dem Tod haben“, sagt Anthony und kratzt sich am Kopf. Er hat so seine Theorien über die Touristen, die seinen Betrieb besichtigen. „Als könntet ihr nicht sterben, als hättet ihr Monsterschiss davor. Manche bitten um ein Probeliegen für das Bild, das sind immer die Männer, ich hab dafür einen Heineken-Sarg. Zwei- oder dreimal gab es daraufhin schon Bestellungen. Die Deutschen interessieren sich sehr für die Materialien. Wir arbeiten mit hochwertigem Wawa-Holz, ihr nennt den Baum Abachi, und Qualitätslack. Alles bio.“ Aus Anthonys Sicht ist sein Produkt keine Story.

„Schickst du mir den Artikel?“, fragt Anthony, klopft mir auf die Schulter und lacht, während ich hastig nicke und „of course“ sage. „Die Journalisten versprechen immer, die Artikel zu schicken. Hat bisher noch keiner getan. Ist ohnehin gleichgültig, ich google das nach.“ Ich atme ein, aber Anthony klopft mir auf die Schulter: „Schon gut, mein Freund, schon gut!“

Ort

Bestattungskunst. Die Ga (sie leben in Ghana, Togo und Benin) machen bunte Särge. Accra, Teshie, Ghana.

Neu: Martin Amanshauser, „Der Fisch in der Streichholzschachtel“, Roman, Deuticke.

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