Amanshausers Welt: 418 China

Kleine Geschichten über große Locations.

Eine "originale" touristische Teezeremonie ist ja das ödeste der Welt. Dass ich je wieder darüber schreiben würde, hielt ich für ausgeschlossen. Jetzt muss ich. Am People s Square in Shanghai sprechen mich zwei Chinesen und eine Chinesin an, ob ich nicht ein Foto von ihnen machen könne. Gern. Sie fragen, gutes Englisch, woher ich komme. Sie fragen ganz unchinesisch, ob ich nicht Lust hätte, zehn Minuten mit ihnen zu spazieren, sie gingen in ein Teelokal. Interessant. An die verdammte Zeremonie denke ich gar nicht, ich strenge meine Gehirnwindungen an, was sie
von mir wollen sind sie echt? Bei unserem Spaziergang erfahre ich wenig von ihnen, wir bewegen uns an der Grenze jener Konversation, die mich verärgert, aber sie schaffen immer den Dreh, mich interessiert zu halten. Ich komme zu dem Schluss, es sind doch einfach nette Chinesen, konzentriere mich aber, nicht zu weit ingeografisch unbekanntes Terrain geführt zu werden.

Sehr zielstrebig steuern sie auf einen kleinen Erdgeschoßraum zu, in dem für eine Teezeremonie aufgetischt wird. Aha, denke ich, oje, also das. Ich frage gleich beim Hinsetzen nach den Preisen, jeder Tee kostet pro Person 49 Yuan. Ich werde nur drei Teesorten probieren, sage ich. Sie blicken sich alarmiert an, spielen aber weiter. Verdammte, nette Scammer. Da mir dauernd jedes Wort des Zeremonienmeisters konsekutiv übersetzt wird, nervt mich die Zeremonie bald sehr. Nach der dritten Kostung stehe ich auf und sage freundlich, dass ich weitermuss.

Eine Diskussion erhebt sich. "Es ist in China unhöflich, nicht gleichzeitig zu gehen!" Ich bedauere das wortreich.
Die Rechnung macht 770 Yuan aus. "Ist in China unhöflich, getrennt zu zahlen!" Ich gebe trotzdem "ganz unkompliziert" meine 150 Yuan, lasse mir sie noch auf 180 hinaufhandeln (so eine Art Coperto sei "in China" dabei). "Man ist in China nur ein Gentleman, wenn man die Frau einlädt!" Ich sage, das stünde ihm ja frei. "Aber in China ist man Gentleman!"

Ich schüttle den Kopf. Sie "zahlen" mit einer Kreditkarte außerhalb meines Sichtbereichs und endlich sind wir draußen vor dem Laden. Sie lassen sich nicht fotografieren, "nein, geht nicht, ist schmutzig hier". "Bitte, bitte", rufe ich, "nur ein Foto!" "Nein, geht nicht hier, viel bessere Fotos auf dem People s Square." Sie hasten davon, am Ende schreien sie mir nach: "To the People s Square, to the People s Square!", und nehmen Reißaus.

Ort

Teezeremonie. Der Autor war auf Lesereise. Man trifft diese harmlosen Kleinbetrüger
unter anderem auf der Nanjing Road, Höhe People s Square, Shanghai, China.

Tipp

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