Amanshausers Welt: 423 Tschechien

Verwunderung. USA-Ballettplakat, echtes Sprachspiel.
Verwunderung. USA-Ballettplakat, echtes Sprachspiel.(c) Beigestellt
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Kleine Geschichten über große Locations.

Dass ich nach mehr als viereinhalb Jahrzehnten noch mein erstes Ballett besuchte! Ich hatte gar keine diesbezüglichen Absichten. Ich wusste nur vage, mit wie viel L und T man Ballett schreibt. Da erhielt ich aus beruflichen Gründen zwei Karten für „Made in USA“ im Janáček-Theater von Brno. Ich durfte sogar mit Ballettdirektor Mario Radačovsky einen Tee trinken. Er erzählte, ich würde drei Balletts sehen, ein klassisches, ein zeitgenössisches und eines „mit Visuals“. Er verwies auf die günstigen Tickets, da in Tschechien in den Preisen – leider auch den Gehältern – noch der Kommunismus eingepreist sei. Am Ende vergaß ich zu fragen, wieso das Stück „Made in USA“ hieß.

15 weiße Frauen. Das klassische Ballett, Musik Tschaikowsky, entsprach meinen Vorstellungen. Circa 15 weiße Frauen wirbelten herum, durch ihre fortwährende Ortsveränderung war es schwierig, sie zu zählen, zwei oder drei blaue Männer kamen dazu. (Am Ende verbeugten sich 20 und sechs.)
Ich fand es ein bisschen diskriminierend, dass die Männer nicht auf Zehenspitzen tanzen durften. Auch hätte ich aus perspektivischen Erwägungen die größeren Frauen in die hinteren Reihen verschoben, die kleinen immer nach vorn. Es war umgekehrt. Aber gut, ich verstand nichts davon.

Beim zeitgenössischen Ballett, Musik Mozart, spielte ein Sofa die Hauptrolle. Es wurde unablässig herumgetragen. Maximal fünf Menschen hatten darauf Platz, doch acht tanzten, was den ewig gleichen Effekt erzeugte: Manche mussten stehen. Alle acht hielten sich selbst und einander oft die Augen zu, unklar warum. Dafür verstand ich, wieso Frauen Männer wegstießen: weil die zu aufdringlich hintanzten. Auch das wiederholte sich. Ich fragte mich, nach welchen Kriterien man ein Ballett beurteilte. Rein ästhetisch? Tänzerisch? Handlung gab es ja kaum. Beurteilte man es nach der Länge?

Vor dem Ballett mit den Visuals, weil modernes Zeug, fürchtete ich mich am meisten. Musik: aus der Dose. Doch es war neu für mich, und unglaublich. Vor schwarzem Hintergrund fielen weiße Halbmenschen wie Bretter um, bildeten Kreise, flogen, als gäbe es keine physikalischen Gesetze. In Hüfthöhe schwammen sie wie Robben, konnten Geschöpfe bilden, die aus vier Füßen bestanden, oder Läufer, die in der Luft joggten. Ich hatte ein paar Theorien, wie das funktionierte, die Auflösung gab es beim Applaus. Wieso das alles „Made in USA“ hieß, blieb unaufgelöst.

Ort

Ballettdebüt. Der Autor war eingeladen von der Tschechischen Zentrale für Tourismus,
www.czechtourism.com; Janáček-Theater, www.ndbrno.cz

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