Amanshausers Welt: 424 Italien/Schweiz

Kleine Geschichten über große Locations.

Mitte November stand ich am Grab meines Freundes, des Schriftstellers und Journalisten Dante Andrea Franzetti (1959 2015) auf dem Friedhof Sihlfeld in Zürich. Ich erlebte mit, wie seine Urne behutsam in die Erde gelegt wurde, vor den versteinerten Blicken seiner alten Eltern, die vor dem Grab als Einzige saßen, während die übrigen Besucher standen. Auf einem schlichten Holzkreuz stand der Name des Verstorbenen. Dante war an Komplikationen in Folge einer Herzoperation gestorben. Ich kannte Dante über meinen Vater. Ich liebte seine Bücher und hatte ihn schon Ende der Achtzigerjahre in Zürich besucht, als ich noch ein halber Bub war, später in Orvieto, wo er als Rom-Korrespondent wohnte und ich ein Stipendium in der unter Autoren berüchtigten Via Tor Millina abwohnte, wo der Kühlschrank so brummte und tropfte.

Accatolico. Damals besuchte ich erstmals den Cimitero Acattolico, den Friedhof für Protestanten und andere Ausländer. Als ich dort erstmals an der Glocke läutete ein Wärter öffnete , sprangen Dutzende Katzen über die Gräber. Für mich wurde dieser Friedhof, der außerhalb der Stadtmauern lag, zum wichtigsten meines Lebens, und das heißt viel, denn ich kenne sogar die von einer Jenseitskommission mit der Goldenen Paradiesfliegerkarte ausgezeichneten Friedhöfe von Macau und Havanna. Bei jeder Rom-Reise kehre ich zurück, um jenes Grab zu sehen, das mich am meisten berührt ein einfacher Stein mit der Aufschrift "Goethe Filius, Patri antevertens obiit, Anno XL, MDCCCXXX". Goethe, der Sohn, dem Vater vorangehend, starb 1830 vierzigjährig.

August von Goethe (1789 1830) erhielt von seinem Vater eine Grabtafel verpasst, die seine eigene Existenz zum Verschwinden brachte, was Generationen von Besuchern irritiert hat. August, zeitlebens unterschätzt, starb auf seiner Italien-Reise, während der er ein wunderbares Tagebuch schrieb. Unterdrückt und kleingeredet vom Rabenvater, erschien es erst im 169. Jahr nach seinem Tod. Der Sohn, der massenhaft Wein trank, Schiller liebte und dichtete, "ich will nicht mehr am Gängelbande / wie sonst geleitet seyn", war ein zweifelnder, unsteter, gelegentlich exzessiver Mensch.Ganz wie Dante. Jener hatte mir im Jahr 2012 eines seiner Bücher geschickt, "Zurück nach Rom", das ich mir für eine Rom-Reise aufgehoben hatte. Nun sitze ich hier und finde in Dantes Buch zu meiner Verblüffung ein melancholisches Kapitel über August. s

Richtungen.
Nichtkatholiken unter sich.

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