Amanshausers Welt: 450 Zypern

Im Schilderwald an der Küste Zyperns: Martin Amanshauser.
Im Schilderwald an der Küste Zyperns: Martin Amanshauser.(c) Amanshauser
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Kleine Geschichten über große Locations.

Wer durch Deryneia fährt, kann die Schilder nicht übersehen, dicke blaue Schrift auf weißem Grund: „View point Famagusta.“ Sie führen einen zu einer Cafébar mit einem kleinen Parkplatz. Der Schotterweg endet, denn da steht eine unübersehbare Tafel: „No“, und eine zweite Tafel: „No man’s land.“ Das „s“ von man’s und der korrekte Apostroph sind offenbar später dazugeschrieben worden. Rundum stehen weitere Tafeln, die erklären, worum es sich handelt: „Aus Sicherheitsgründen ist die
Benutzung von Kameras, Videos und Ferngläsern nur von der Aussichtsterrasse oben erlaubt.“ Und am Eingang des Cafés liest man: „Eintritt zu dem View Point: Erwachsene 2 EUR, Kinder 1 EUR.

Beim Kaufe eines Getränks ist die Benützung der Fernglasern auf dem Aussichtspunkt und der Eintritt in das Museum kostenlos.“ Und vor der Theke: „Kostenfrei Fernrohre Zoom und kostenfrei Ferngläsern oben vom Aussichtsterrasse.“ In Käfigen sind Tauben untergebracht, sie heißen „Zebra Fintces and Racing Pegeon“, weiters auf anderen Tafeln die Namen von Schildkröten: „Trouble * 1941, Speady * 1970, Gouspis * 1976, Zambina * 1993“, dazu Agnes, die offenbar auch Antriani genannt wird, und Kassandra (Alternativname Roberta).

Besitzer Nico Nicolaoy hat ein interessantes Geschäftsmodell. Neben einem aufschlussreichen Zeitungsausschnittmuseum, das den Inselkonflikt allein aus griechischer Sicht betrachtet, betreibt er eine nette Bar, von der man über ein paar Stiegen nach oben gehen kann, um mit Ferngläsern von einer Plattform aus auf die verbotene, tote Stadt zu blicken: Hinter dem Niemandsland ein umzäunter und vom Militär bewachter Stadtteil Famagustas am Meer, der seit 1974 leer steht und vor sich hin gammelt. Hochhäuser mit Luft dazwischen, einst Luxushotels, heute Zähne in einem
löchrigen Gebiss.

Nico selbst kam im Alter von sechs
Jahren nach Famagusta. Als die türkischen Truppen in seine Heimatstadt einmarschierten, war er zwölf. „Ich
kann mich sehr gut erinnern“, erzählt er. „Es wurde gesagt, dass wir bald wieder zurückgehen. Und eigentlich dachten wir lange an die Möglichkeit einer Rückkehr und ein Zusammenleben mit den Türken – wie früher.“ Die normalen Menschen auf beiden Seiten, jene nicht rassistischen, die von den korrupten politischen Führern mit ihren Interessen und Verbindungen immer nur enttäuscht werden – diese Leute trauern noch immer.

Ort

Konflikt. Viewpoint Famagusta, Dhimitrakis, Christodholoy 28, Dherynia, Zypern.
Neu von Martin Amanshauser: „Typisch Welt, 111 Geschichten zum weiter Reisen“, Picus Verlag

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