Kleine Geschichten über große Locations.
Mandeln hat Domenico hier in Apulien wirklich viele. Er hat fast mehr, als er selbst glauben kann, in guten Jahren hundert Kilo. Er verkauft die meisten. Aber die Mandeln fallen halt nicht verkaufsfertig herunter, er muss sie aufklauben, aus der Schale holen, sortieren und trocknen. Seine Abnehmer mögen zum Beispiel keine kleinen Mandeln. Die behält er für sich selbst – oder für seinen Sohn und dessen Freundin, die mit Kindern und Hunden vorbeischauen und im Zelt übernachten – wenn er Nachfrage für das Trullo hat, das er vermietet. Domenico, Jahrgang 1949, hat dieses Trullo von seinem Großvater, der noch dort gewohnt hat, und die zwei Hektar Land nahe von Ostuni ebenfalls. Trulli, runde Steindachhäuser, gibt es nur in Apulien. Domenico hat seines renoviert und innen den zeitgenössischen Bedürfnissen angepasst, wodurch es zum Idealfall einer Airbnb-Behausung wurde. Vier Kuppeln hat Domenicos Trullo. Seines Wissens ist es das einzig völlig symmetrische in der Region. Es passt irgendwie gut zu diesem Mann, der über vierzig Jahre in München gearbeitet hat.
Als junger Mann hatte sich Domenico auf dem Arbeitsmarkt in Pesaro versucht. Aber er wollte die Welt sehen, und natürlich auch die Frauen. Dafür schien ihm Deutschland ein guter Absprungpunkt. Er wollte von dort nach England, die Sprache lernen. „Ich war ein Abenteurer, aber trotzdem – ich hätte jemanden gebraucht, der mit mir geht. Allein hab ich es mir nicht zugetraut. Am Ende lernte ich viele Menschen kennen, aber sie hatten wieder andere Ideen.“ Mit seiner Frau, einer Slowenin, war er einmal fast so weit, nach Australien auszuwandern. Aber dann hielt ihn wieder sein Vater fest, der meinte, es könne ja sein, dass er krank würde, stürbe – und so weiter. So ist es Deutschland geblieben, zuerst Siemens, und viele Jahre die Großmarkthalle München.
Nach der Trennung bleibt Domenico eine kleine Rente, die er mit der Ex teilen muss. Seit fünf Jahren lebt er
wieder in Apulien, auch wenn er noch ein Auto mit deutschem Kennzeichen fährt. Er ist auf den ersten Blick der schelmisch-knorrige Italiener, aber manchmal ist nicht mehr ganz klar, was er eigentlich ist. „Martin, wieso lässt du eigentlich die Autotüren offen stehen?“ Schweigen auf meiner Seite, keine Ahnung, dann sage ich: „Na ja, damit es im Auto durchzieht.“ Domenico gibt zu, dass viele Leute sagen, er sei schon so richtig zu einem Deutschen geworden.
Ort
Herr der Mandeln. Domenico vermietet auf Airbnb den Trullo 4 Cupole bei San Michele Salentino, Italien.
Martin Amanshauser, „Typisch Welt, 111 Geschichten zum weiter Reisen“, Picus-Verlag.