Amanshausers Welt: 463 Tschechien

Kleine Geschichten über große Locations.

Jii Stransk ist Bauingenieur. Er ist einer jener angenehm unangepassten 20.-Jahrhundert-Männer, der die Marke seines eigenen Pullovers sicher nicht kennt. Vermutlich ist ihm gar kein Modelabel namentlich bekannt. Der Weiß bärtige hat sich zeitlebens mit handfesteren Dingen beschäftigt. Zum Beispiel als Experte für Geschehnisse auf dem Wasser. Hauptberuflich leitet er Kapitänsausbildungs-Kurse.

Eine öffentliche Figur in Hradec Kr lov (Königgrätz) ist Stransk ebenfalls. Und zwar als Stationsvorsteher der Kindereisenbahn, die er vor sieben Jahren mit Freunden ins Leben gerufen hat. Und so steht er auch an diesem frühen Herbsttag unter den Kastanien und beaufsichtigt die 430 Meter lange Superschmalspur-Strecke. Diese Liliput-Version der tschechischen Bahn mit einer Diesellok "aber wir haben auch Dampflokomotiven", lächelt Stransk umrundet den Park auf dem 5.-Mai-Platz. Die drei Holzbock-Waggons passieren einen roten Eiffelturm, rattern über eine Brücke. Den atemlosen Kindern zeigt der Bahnhofsvorstand die grüne Kelle: noch eine Runde! Drei, vier Runden ... mitfahrende Erwachsene fragen sich, wie lange der Spaß eigentlich dauern wird, und was geschähe, wenn dieses Vehikel einfach niemals mehr halten würde. "Für so etwas Altes ist es irrsinnig schnell", wird ein Kind danach sagen.

Stransk und Freunde suchten sich für die Eröffnung einen historischen Tag aus, den 21. August, an dem 1968 die Russen in der Tschechoslowakei ein gefallen sind. "Ein unangenehmes Jubiläum, ja, aber wir dachten uns, Lokomotiven statt Panzer!" Seit 2000 fährt die Bahn von Mai bis Ende September, und dann noch zu Halloween, Nikolaus und am Heiligen Abend.
"Wir können uns gut über Wasser halten", schmunzelt Stransk , während Runde fünf anbricht. "Es ist ein städtisches Projekt. Die Bahn haben wir privat gebaut, alles ist regional erzeugt. Die Schienen stellte eine Berufsschule für Bauwesen her." Ein urbaner Spaß, der gar nicht so teuer ist: Insgesamt wandten sie eine Million Kronen, um die 36.000 Euro, auf.
"KHSPPS" steht auf den Zügen, kein unaussprechliches Wort, sondern Abkürzung für den Betreiber, die Gesellschaft der Freunde der Dampfmaschinen: "Kr lov hradeck spolek p tel parn ch stroj." Erst nach der sechsten Runde baut sich Jii Stransk plötzlich mit einer roten Fahne, die akkurat zu seinem markenlosen Pullover passt, vor dem Zug auf Ende der Fahrt!

Ort

Kindereisenbahn. Der Autor war Gast von Czech Tourism und ÖBB; N mst 5. kvtna, Hradec Kr lov , Tschechien. NEU! Martin Amanshauser, "Typisch Welt", Picus Verlag. www.picus.at

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