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Urbaner Traum: Blick aus dem ­Berliner Fenster.
Urbaner Traum: Blick aus dem ­Berliner Fenster.(c) Beigestellt
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Kleine Geschichten über große Locations.

Ich muss drei Jahre Wien-Berlin-Hin-und-Herfahren abschließen. 2016 endete das Projekt. Obwohl mein Fiat Panda aus dem Jahr 1988 ziemlich bald ein B-Kennzeichen hatte, wurde ich selbst nie zum Berliner wie Kennedy. Ich sage nicht „Prenzlberg“ zum Prenzlauer Berg, „Caipi“ zum Caipirinha oder „Alex“ zum TV-Turm und verwende auch sonst keine der Abkürzungen, die Zugewanderte nachplappern. Aber ich sage ja in Wien auch nicht „Mahü“.

Manchmal trinke ich in Berlin zwar ’ne Latte Macchiato, oder ’ne Rhabarberschorle mit Vanille, mehr geht nicht. Sprachlich schaffte ich die Anpassung nie. Viel eher wurde mein „Akzent“, wie man mein Burgtheaterdeutsch dort nannte, angesichts der Sprachübermacht nur noch stärker, noch verzweifelter. (Manche Drecksohren hielten mich für einen Schweizer!)

Auf einem Klo fand ich den Spruch: „Ausländer rein, Rheinländer raus“. Das bezog sich auf süddeutsche Bobos mit Geld vom Papa, die mit ihren Scooterkindern den Prenzlauer Berg verschönern – zum Glück war ich unbetroffen, wenn es hieß: „Das Kiez schwabt über.“

Manchmal schreckte mich Deutschland, etwa, als meine (noch dazu scooterlosen) Kinder „nach Paragraf 139 der Abgabenordnung“ eine Steuernummer erhielten, da, wie es juristisch-vieldeutig und doch so eindeutig hieß, „schon ab Geburt eine Steuerpflicht begründet sein kann“. Oder wegen der Küche. Die Berliner kochen ja gern schlecht – beim Essen geht es ihnen um Quantität.

Doch nie werde ich vergessen, wie gut Amtsbesuche in Berlin klappten. Sie behandeln einen dort witzigerweise nett. Und das Parkpickerl kostete knapp ein Zehntel von dem in Wien.

Viele haben mich gefragt: Wo lebt es sich denn nun besser? Ganz sicher in Berlin. Neben den kleinen Vorteilen studentischer Natur (in Lokalen gibt es Frühstück bis 16 Uhr) spricht schon die Flughafensituation klare Worte. TXL ist das Idealbild eines Airports, unprätentiös, antiweltstädtisch kurze Gehwege, kaum Duty Free – ich bete jeden Tag, dass BER niemals fertig wird. Viel wichtiger ist jedoch, dass die Menschen in Berlin angenehmer und zugänglicher sind, das ganze Umfeld zivilisierter, und wenn jemand anders ist, wird nicht geschimpft, sondern man zuckt mit den Schultern. Sogar mein Fiat Panda fiel im Land der Autoindustrie kaum auf. Berlin ist für mich eine Idealstadt.

Dann wander halt aus, Amanshauser! Gern, wenn mir jemand meine Freunde nach Berlin übersiedelt.

Ort

Großstadtvergleich. Dircksenstraße 51, D-10178 Berlin, Deutschland.

Tipp

www.amanshauser.at

Neues Buch: Martin Amanshauser, „Typisch Welt, 111 Geschichten zum weiter Reisen“, Picus Verlag 2016.

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