Schnee

Der weiße Terror: Schnee überfordert New York, Washington und Brüssel gleichermaßen.

Was einem auf Reisen so alles über den Weg läuft

Ha, rief der Kollege im Feuilleton beseelt, ich möchte nur einmal im Winter nach New York wegen „The Boxer“, dieses schönen Lieds von Simon & Garfunkel. „Where the New York City winters aren't bleeding me“, heißt es da, und während sich nun also ein zweistimmiger Ohrwurm in meinem Kopf festsetzte, versuchte ich das romantische Bild des weiß überzuckerten Manhattans mit dem vermatschten Inferno in Einklang zu bringen, dem ich gerade entsprungen war. New York ist im Schnee nämlich noch kürzer ansehnlich, als das für Wien gilt. In Wien rückt jedoch wenigstens eine vielköpfige Schar an Schneeräumern aus, um die Gehwege begehbar zu machen.

Nicht so in New York. Dort scheut man körperliche Arbeit (beziehungsweise deren Bezahlung) und setzt auf den Zauber der Chemie. Sobald Schneefall angekündigt ist, salzt man die Trottoirs eifrig ein. Somit schmilzt der darauf fallende Neuschnee rasch, spült das Salz weg und gefriert nachts zu einer soliden Eisschicht. Kommt dann Tauwetter, verwandeln sich die Straßenecken in knöcheltiefe Teiche voll Eiswasser, denn auch das ebenmäßige Pflastern von Straßen ist des New Yorkers Stärke nicht.

Ähnlich ist das in Washington; diese Beamtenhochburg sperrt allerdings vorsorglich alle Ämter und Schulen, sobald auch nur der Hauch von Schneefall in der Luft hängt. In einer anderen Beamtenhochburg, Brüssel nämlich, durfte ich die ultimative Kapitulation des Menschen vor den Elementen bezeugen: Wenn es dort schneit, schmeißen die Leute kleine Salztabletten auf den Gehsteig und warten; wenn's sein muss, bis zum Frühling.

oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2014)

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