Slow Food

Slow Food? Was ist so toll daran, lange aufs Essen zu warten? Spanien bietet kulinarischen Genuss im Schnelldurchlauf.

Nein, wir mokieren uns hier nicht über zeitlich verrückte Essensbräuche der Spanier. Wem ein Abendessen um zehn nicht passt, soll seine Uhr um zwei Stunden zurückstellen. Statt die Nase zu rümpfen, stecken wir sie lieber in ein Glas Rioja.

Und rücken zurecht: Zwar fangen Spanier spät zu essen an, sind aber auch viel schneller fertig. Wie schaffen es die iberischen Köche, um so viel flinker zu kochen als ihre Kollegen? Und das nicht nur, wenn sie Schlangenfraß servieren, der frisch nur aus der Mikrowelle kommt. Auch der Koch als Künstler legt sich ins Zeug, besonders, wenn seine Bude fast leer ist. Das Rennen gewinnt – Trommelwirbel! – die Casa Vallecas in Berlanga de Duero. Im hintersten Kastilien steht ein Ingenieur am Herd, der auf die Schnapsidee kam, in seinem Kuhdorf ein Feinschmeckerlokal zu eröffnen. Das zwölfgängige Degustationsmenü beschert einen Rausch der Sinne und der Geschwindigkeit. Aufs Tempo drückt auch der rustikale Kellner, der im Minutentakt prüft, ob die Teller schon leer sind, und diese entzieht, wenn wir zu sehr trödeln. Denn schon will die nächste Kreation, deren Namen er unverständlich runterrattert, verschlungen werden. Das Fazit: ein Genuss-Stakkato, abgefeuert in 63 Minuten. Wir vermuten einen Rekord und geloben, das nächste Mal tempomäßig besser zu kooperieren. Dynamik steckt an.

Was ist denn so toll daran, auf jeden Gang endlos zu warten? Ist Langsamkeit eine Tugend? Warum halten die Slow-Food-Jünger ihr „Qualität braucht Zeit“ für ein Naturgesetz? Wir schwören auf Fast Food de luxe. Viva España!

karl.gaulhofer@diepresse.com


Nächste Woche:
Michael Laczyinski

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2014)

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