Der Reisesnob

Der Reisesnob verachtet die Trampelpfade der Massen. Hier soll er endlich einmal zu Wort kommen.

Ihr wart in Barcelona? Auf Mykonos? Am Grand Canyon? Na ja. Eh recht nett. Verzeiht, aber wer zur touristischen Elite gehört, dem entlocken eure stereotypen Schwärmereien über Allerweltsziele nur ein müdes Lächeln. Der Reisesnob meidet die überschätzte Toskana und erforscht lieber die wilden Abruzzen. Dem vulgär überfüllten Paris zieht er ein fremdenfreies Provinzkaff vor, etwa Bourges oder Moulins.

Nie gehört? Hab ich mir gedacht. Nichts macht unsereins glücklicher als die ratlosen Gesichter der Fehlgesteuerten. In denen rasch der blanke Neid erwacht, wenn wir die frohe Botschaft vom Paradies verkünden: was kein Auge je gesehen und kein Ohr gehört hat, was der Reisegott denen bereitet, die sich auskennen. Allmachtsgefühle erfassen mich, wenn ich euch hernach in der Buchhandlung erwische, wo ihr erkennen müsst, dass es zu meinen Geheimtipps nicht einmal Reiseführer gibt. Meterweise Madrid, aber das Wenige zum wunderbaren Kastilien drum herum ist längst vergriffen.

Die Algarve ist baulich wie publizistisch zubetoniert, aber über die jungfräuliche Costa do Alentejo ums Eck schweigen sich diese Rudeltiere von Autoren aus. Also seid ihr auf meine Ratschläge angewiesen, die ich gönnerhaft unter das Volk streue. Aber statt demütig meinen Pfaden zu folgen, zapft ihr mein Expertentum für banalste Anfragen an: ein Quartier in London, ein Fischlokal in Lignano. Woher soll ich das wissen?

Stimmt: Der Mona Lisa zurückgelächelt und auf der Akropolis Geschichte geatmet hab ich zuletzt als Kind. Man kann ja nicht überall sein. Ist es immer noch schön dort?

karl.gaulhofer@diepresse.com


Nächste Woche:
Michael Laczynski

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2014)

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