Unterwegs

Reiseboykott

Strand
StrandAPA/EPA/HOTLI SIMANJUNTAK
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Der Reiseboykott gegen unfreie Länder ändert nichts an deren politischer Lage. Er erlaubt dafür aber den Blick in den Spiegel.

Ich war noch nie auf Kuba (mit Ausnahme der US-Marinebasis in der Bucht von Guantánamo, aber das war Arbeit, nicht Zerstreuung). Auch Thailand ist mir fremd, oder Ägypten. Länder, wo autokratische Regime die Freiheit ihrer Bürger unterdrücken, verbiete ich mir als Urlaubsziele. Damit habe ich mir bei manchen Freunden die Punze eines moralinsauren Nörglers eingehandelt. Warum nicht am Strand von Koh Samui entspannen, den kolonial-verwitterten Charme von Havanna erleben, im Roten Meer mit Rochen tauchen? Aber ich kann mir nicht helfen: Wo die politischen Entscheider stets Uniform tragen, mag sich mir kein Feriengefühl einstellen.

Natürlich ist so ein Urlaubsboykott unfreier Staaten eine Vergeblichkeit donquijotischen Ausmaßes. Was ändert es schon daran, wenn ein Reisender ausbleibt? Natürlich nichts. Und ich kann jene Zeitgenossen verstehen, welche diese zweifellos reizvollen Landschaften und Kulturen mit eigenen Augen sehen wollen. Auch das Argument, die Devisen des Urlaubers brächten zumindest den lokalen Arbeitern in der Tourismusbranche wichtige Einkünfte, finde ich berechtigt. Als ich Sankt Petersburg besuchte, eine wahrlich prachtvolle Stadt, fand ich am Museum der dissidenten Dichterin Anna Achmatova großen Gefallen; die zwei Mokkatassen mit ihrem Klischeeprofil, die ich dort kaufte, haben hoffentlich zum Erhalt dieses kleinen Ortes des geistigen Widerstands gegen den Putinismus beigetragen.

Dennoch: Urlauben will ich nur dort, wo die Menschen mindestens so frei atmen können wie ich.

oliver.grimm@diepresse.com


Nächste Woche:
Timo Völker

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2017)

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