Falsch reisen

Hackney Half Marathon

Läufer
Läufer(c) imago/Pacific Press Agency (imago stock&people)
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Unterwegs, diesmal auf Schusters Rappen – aber im Sauseschritt.

„Feel the Love“  plärren die Lautsprecher einen Tag vor dem Spektakel beim Abholen der Startnummer. Als sich kürzlich mehr als zehntausend Teilnehmer zum Halbmarathon durch den Ostlondoner Stadtteil Hackney aufmachten, war auch Ihr Kolumnist dabei. Nicht aus Love, aber rechtschaffen bemüht.

Am Renntag setzt um 03.11 Uhr die senile Bettflucht ein, danach ist an Schlaf nicht mehr zu denken. Die Zeit bis zum Start um 09.00 Uhr wird lang. Auf dem Weg zum Wettbewerb wird jeder Sonnenstrahl um Wärme angefleht. Der aufgeregten Anspannung vor dem Start kann sich nicht einmal der geborene Wiener Raunzer entziehen. Als bei Überqueren der Startlinie die Toten Hosen aus dem iPod „Gebt mir ein neues Leben“ grölen, flitzen wir beschwingt los.

Die ersten Kilometer geht es darum, nicht niedergewalzt zu werden. Überall stehen freundliche Passanten und feuern an. Soweit alles fein. Wann aber kommt endlich die nächste Wegmarke? Bis man daraufkommt, dass in Meilen gerechnet wird, hat man ein weiteres Argument gegen den Brexit ausgemacht.

Als nach der sechsten Meile Bob Dylan „How does it feel?“ zu fragen beginnt, lautet die Antwort bereits: „Beschissen“. Die Sonne scheint gnadenlos zu brennen, jede Steigung wird zur Steilwand. Nach Meile elf raubt einem das nahe Ziel fast den Mut vor der eigenen Courage. „Run“ von der Lighthouse Family schenkt da einen neuen Funken.

Damit saust man bis zum Ende der 21,0975 Kilometer. Statt Love spürt man vor allem Körperteile, von deren Existenz man nichts wusste. Aber wert war es all das allemal.

aussenpolitik@diepresse.com

Nächste Woche: Oliver Grimm

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2017)

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