Unterwegs

Menorca ohne Koffer

Touristen auf Menorca
Touristen auf MenorcaAPA/AFP (JAIME REINA)
  • Drucken

Vom Tourismus sollen auf einer Insel alle profitieren, meint man auf Menorca – und zog meinen Koffer ein.

Wer weniger naiv ist als ich, hätte schon beim Umsteigen in Barcelona Verdacht geschöpft. Da stand er, mein Koffer, ich sah ihn vom Flugzeugfenster aus, wie er als einziger einsam zurückblieb. Ich winkte erst ihm zu, dann der Stewardess, diese dem Verlader. Die beiden versicherten mir suggestiv: „Das ist nicht Ihrer.“

Natürlich war es meiner, am Flughafen auf Menorca stand ich mit leeren Händen da. Aber was soll's, kommt vor! Und auf der halbstündigen, zehnmal täglich bedienten Strecke auf eine kleine Insel würde es für Iberia leicht sein, das Wiedersehen ehebaldigst zu arrangieren. Doch die Zeit verfloss. Ich kaufte am ersten Tag die Drogerien von Mahón leer. Besorgte mir am zweiten Tag Turnschuhe zum Wandern und eine ästhetisch fragwürdige Badehose. Schlug am dritten, in wachsender Verzweiflung und im einzigen Textilladen eines Kuhdorfs, neuerlich zu: ein zeitlos unelegantes Poloshirt, das nun zuhause in Wien allseits spöttische Blicke erntet. Und lange Beinkleider – Shorts beim Abendessen waren im Hotel nur sehr ungern gesehen.

Der Wirt war auch kein Trost: Oft, erklärte er mir, lande verirrtes Gepäck an einem Airport mit ähnlichem Code wie Mahón, aber am anderen Ende der Welt. Wo mochte das wohl sein? Macao, Madras, Manaus? Endlich schwante auch mir: Wie hinter Slow Food steckt auch hinter Slow Delivery ein System: Jedes Gewerbe der Insel soll am Gästesegen teilhaben.

Inklusiver, nachhaltiger Tourismus: Endlich hab' ich das Konzept verstanden. Und muss gestehen: Bei der IG Menorca funktioniert die Umsetzung nahezu perfekt.

karl.gaulhofer@diepresse.com


Nächste Woche:
Gabriel Rath

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.