Wohnen im Alter, Hilfe im Alltag

Markt. Wohnangebote für Senioren gibt es zahlreiche, doch nicht alle entsprechen dem höchsten Standard. Die Kriterien sollen strenger werden.

Die Zielgruppe wächst stark: Betreutes Wohnen richtet sich an (meist ältere) Menschen, die eine Hilfestellung im Alltag brauchen, aber keine Rund-um-die-Uhr-Pflege. In betreuten Wohnanlagen können sie zur Gänze in den eigenen vier Wänden leben, teilen also nicht wie im Pflegeheim die Gemeinschaftsräume mit anderen Bewohnern. Es gibt jedoch Dienstleistungen, die sie in Anspruch nehmen können und die teilweise im Preis inkludiert sind.

Die Wohnform ist zudem deutlich günstiger als jene im Pflegeheim: Während ein Heimplatz 3000 Euro pro Monat aufwärts kostet, finde man beim betreuten Wohnen je nach Wohnungsgröße mit 1000 Euro für Wohnung und Dienstleistungen das Auslangen, stellt Walter Eichinger, Geschäftsführer des Unternehmens „Silver Living“, fest, das betreute Wohnanlagen entwickelt. Je nach Bundesland werden die Wohnungen gefördert und seien dann noch günstiger.

Hürden durch Schwellen

Es gibt allerdings auch ein Problem mit dem betreuten Wohnen: Der Großteil der österreichweit etwa 600 Anlagen entspricht nicht der neuen ÖNORM. Diese gibt es nämlich erst seit Mai. „Wo betreutes Wohnen drauf ist, muss künftig auch betreutes Wohnen drin sein“, sagt Eichinger. Er war als einziger Österreicher beim EU-Normungsprozess dabei. „Die ÖNORM ist freiwillig. Wer die Kriterien nicht erfüllt, darf sein Angebot nicht mehr betreutes Wohnen nennen. Ein Mitbewerber könnte ihn sonst wegen Wettbewerbsverzerrung klagen. „Aber man kann sich so ähnlich nennen“, sagt Eichinger. Bei zwei Dritteln der Anlagen, welche die Kriterien nicht erfüllen, hapere es an der Barrierefreiheit. „Manchmal muss man eine Schwelle von sieben bis acht Zentimetern überschreiten, um auf die Terrasse zu kommen“, stellt der Experte fest. Das sei nicht nur mit einem Rollstuhl, sondern auch mit einem Rollator schwierig.

Zentrale Lage, kulturelle Aktivität

Andere Wohnanlagen verfügten nicht über die vorgeschriebene zentrale Lage, die kurze Wege ermöglicht. „Oft wird in der Peripherie gebaut, weil der Grund günstig ist“, sagt Eichinger. Wenn aber Arztbesuche oder Einkäufe nicht zu Fuß erledigt werden können, müsse zumindest ein Shuttleservice zur Verfügung gestellt werden. Auch müsse es etwa Aufladestationen für elektrisch betriebene Rollstühle geben. Das lasse sich aber relativ einfach nachrüsten. Noch ein wichtiger Punkt: Mindestens ein Mal pro Woche muss den Bewohnern eine kulturelle Aktivität angeboten werden.

Doch die Angebote an betreutem Wohnen sind jetzt schon knapp – auch in Deutschland. „Die Nachfrage wäre jedenfalls größer als das Angebot“, sagt Michael Kiefer, Leiter der Immobilienbewertung bei der deutschen Plattform Immobilienscout24.

Im Idealfall seien solche Wohneinheiten mit entsprechenden Installationen abgesichert, etwa einer Notfallglocke, das Waschbecken sollte verstellbar sein. Die Crux ist, dass sich Investoren noch zu wenig für diese Bedürfnisse interessieren, stellt Kiefer fest. Denn Wohnungen im innerstädtischen Raum – und das gelte für Wien wie für die meisten deutschen Städte – verkaufen sich auch dann gut, wenn sie mit Services wie „betreutem Wohnen“ nichts zu tun haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2012)

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