Die hohe Kunst der guten Nacht

Von Plymouth in England bis in den Bregenzer Wald feilen Bett-Manufakturen am höchsten Gut der Nacht: dem Schlafkomfort.

Schlafen ist ja an sich schon Luxus. Dazu braucht es noch gar nicht übertrieben komfortable Matratzen aus Naturmaterialien, eingebettet in hochwertige, gülden verzierte Gestelle – und das Ganze so günstig wie ein Kleinwagen. Doch all das kann auch nicht schaden, vor allem nicht der Gesundheit, dem Rücken, dem Wohlbefinden. Und vor allem nicht dem guten Schlaf. Wie gut das Bett ist, merkt man oft auch erst am Tag danach, wenn man sich so richtig erholt fühlt.

In Plymouth im Südwesten Englands kümmert man sich auch um die „gute Nacht“. Dort werden nämlich seit mehr als 110 Jahren Betten hergestellt. Und zwar jene, auf denen die Queen genauso schon geschlafen hat wie die Titanic-Passagiere in ihren Luxuskabinen. 1901 hat Vi-Spring die weltweit erste Taschenfederkern-Matratze präsentiert. Auch heute noch werden dort rund 600 Betten pro Woche hergestellt – großteils per Handarbeit.Gleich beim Eingang zur Manufaktur stehen 14 alte Maschinen, die Vanadiumstahl von einer Spule wickeln, zu Sprungfedern verarbeiten und in kleine aneinandergereihte Stoffsäckchen, die Kaliko-Taschen, verpacken. „Die Maschinen sind 40 Jahre alt, wir verwenden sie noch immer, weil sie am besten funktionieren. Pro Woche stellen wir damit eine Million Federn her“, sagt Peter Tasker, der durch den Betrieb führt. Die unterschiedlich starken Sprungfedern werden farblich markiert. Ein Mitarbeiter – große Statur, tätowierte Unterarme, Goldketterl – näht die einzelnen Federreihen mit einer überdimensionalen Nadel aneinander.

Die Art seiner routinierten Bewegungen verrät, dass er das, was er tut, schon lange macht. „Es ist wichtig, dass es dazwischen keine großen Abstände gibt, sonst spürt man das“, erklärt er. Die Federn bilden das Herzstück der Matratze, die im Anschluss mit Shetlandwolle, britischer Schurwolle, österreichischem Rosshaar, aber auch Kaschmir, Mohair, Bambus und Seide umhüllt wird. Bis dahin haben die Arbeiter, vorrangig männlich und vorrangig Engländer, noch ein paar Schritte zu erledigen.



Die vier Männer, die gerade eine 120 Kilogramm schwere Matratze über ihren Köpfen zur nächsten Station tragen, bleiben freundlich und bitten höflich darum, den Weg frei zu machen. Auch die Mitarbeiter dürfen auf den Modellen schlafen, dank des Mitarbeiterrabatts, den es alle zwei Jahre gibt. Das Einstiegsmodell ist bereits um 3000 Euro zu haben, das teuerste Modell namens Majesty kostet hingegen 58.000 Euro – ohne Untergestell. Tasker führt zu jener Abteilung, in der das Rosshaar, das aus der österreichischen Manufaktur Moosburger stammt, gekräuselt wird. Stolz erzählt Tasker dabei von einer jener Eigenheiten, die so ein Unternehmen braucht, wenn es sich zum Luxusbereich zählen will. So wird bei der Schafwolle etwa nur die weiße verwendet, obwohl die Qualität der schwarzen Wolle genauso gut ist und man das Innenleben auch nicht sieht. „Einfach so“, sagt Tasker und zuckt fast verlegen mit den Schultern. Ist die Matratze einmal mit all den Naturmaterialien gefüllt, ist sie so dick und aufgebläht, dass es unmöglich erscheint, darauf zu liegen. Deshalb kommt sie zuvor noch in eine Maschine, die sie zusammenpresst, damit ein Mitarbeiter sie zusammennähen kann. Da alle Betten Einzelanfertigungen sind, wird schon bei der Federung auf das unterschiedliche Gewicht der Bettpartner Rücksicht genommen. So ist ihre Seite meist aufgrund des leichteren Gewichts mit leichteren Federn ausgestattet, während seine Seite eine Spur härter sein darf. So eine Vi-Spring-Matratze passt zwar auch auf einen gewöhnlichen Lattenrost, generell wird sie aber, typisch britisch, auf einem Diwan gebettet.

Understatement aus dem Bregenzer Wald. So etwas wie einen Diwan sucht man in der österreichischen Manufaktur Moor & Moor hingegen vergeblich. Seit 2000 stellen die drei Mohr-Brüder Matratzen und Betten her.  Rein optisch das absolute Gegenstück zu den Vi-Spring-Betten. Während Letztere meist dick und hoch daherkommen, lautet bei Moor & Moor die Devise wohl eher Understatement. Die Matratzen sind dünn, die Holzgestelle schlicht. Lediglich zwölf Zentimeter sind die Elastoflex-Matratzen dick, der Kaltschaumkern wird dabei mit Hanffaser, Schurwolle und Baumwolle umhüllt. „Je dicker eine Matratze ist, desto weniger Einfluss hat der Lattenrost“, sagt dazu Andreas Mohr. Viel wichtiger als eine Matratze ist hingegen jenes Material, mit dem der Körper mehr oder weniger direkten Kontakt hat: die Matratzenauflage. „Die sollte nämlich aus einem Material sein, das einen hohen Quellwert hat, das heißt, dass Faser und Gewebe die Feuchtigkeit aufnehmen und sich das Material trotzdem trocken anfühlt. Das kann etwa Schurwolle – Baumwolle weniger“, sagt Mohr. Ab 2000 oder 3000 Euro geht es für eine Gesamtlösung – sprich Bett, Lattenrost, Matratze und Wollauflage – los.

Ähnlich sind die Einstiegspreise beim niederösterreichischen Hersteller Wittmann. Möbel, die aus der Manufaktur in Etsdorf am Kamp kommen, unterstützen nicht nur das komfortable Sitzen, sondern auch das entspannte Liegen. Inmitten von Weingärten versucht man die traditionelle Handwerksqualität auch für flexible Individualisierung zu nutzen. Denn beim Schlafen ist jeder anders. Wer etwa lieber auf der Seite schläft, kann auch eine Ma-tratze bekommen, die ihn dabei unterstützt. Paolo Piva und Soda Designer sind für die Entwürfe der Bettenkollektion verantwortlich, zu der romantisch verspielte Exemplare genauso gehören wie geradlinige Formen. Doch auf das Unsichtbare, von außen zumindest, legt man in Etsdorf besonderes Augenmerk.

Auf den Lattenrost oder die Boxspringbasis dürfen sich, bevor der müde Mensch Position bezieht, Naturkautschuk-, Federkern- oder Taschenfederkernmatratzen betten. Und zwischen Mensch und Matratze kommen noch klimaregulierende Auflagen. Im Sommer Wildseide, die kühlt. Im Winter Merinowolle, die wärmt. Und damit es noch persönlicher wird, kann man sich sogar den eigenen Namen in das Matratzenetikett einsticken lassen.

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