Zinnen und Zugbrücke: Käufer wollen Teil der Geschichte werden

Gäste beherbergen, Pferde züchten, Land bewirtschaften: Käufer haben vielfältige Interessen.

Anno 1723 dürfte Matthias von Suttner, seines Zeichens kaiserlicher Leibarzt, durch die herrschaftlichen Gänge gestreift sein und wohlwollend genickt haben. Schließlich hatte er gerade Schloss Kirchstetten im Weinviertel erworben, wohin Jahrhunderte später auch Bertha von Suttner zum Verwandtenbesuch anreiste. Vom berühmten Barockarchitekten Johann Bernhard Fischer von Erlach stammt das Konzept zum letzten prägenden Ausbau, den Festsaal ziert ein Fresko von Franz Anton Maulpertsch.

Es sind kunsthistorische Details wie jene, die durchaus Gewicht haben, wenn es um Immobilienkäufe in dieser Größenordnung geht. Das für die Landesausstellung in den 1990er-Jahren nach einem längeren Dornröschenschlaf wach geküsste Anwesen stehe nun zum Verkauf, sagt Fridolin Angerer, Experte für Schlösser bei Spiegelfeld Immobilien. Ein einst geplanter Ausbau zur Seniorenresidenz wurde nie realisiert, ein Rohbau zeugt davon.

An die 1000 Objekte

„Ein topsaniertes Schloss sucht eigentlich kaum jemand“, erklärt Elisabeth Huber von Dr. Max Huber Immobilien. Denn Käufer wollen im alten Gemäuer durchaus den eigenen Lebenstraum verwirklichen, die unverfälschte Historie persönlich aufladen. „Schließlich wird man mit dem Kauf eines Schlosses selbst ein Teil der Geschichte und tritt in die Fußstapfen der Vorbesitzerfamilien“, meint Huber. Die Käuferschicht ist überraschend breit: Nicht nur Familien, deren Vorfahren selbst in einem Schloss gelebt haben, sondern auch Unternehmer, die diese besondere Wohnform schätzen, oder Künstler, die einen inspirierenden Rückzugsort suchen.

„Rund 1000 Schlösser, Burgen und Ansitze in Österreich befinden sich in privater Hand“, berichtet Alexander Kottulinsky, frisch gebackener Präsident des Österreichischen Burgenvereins. Immobilienexperte Alexander Kurz hat derzeit 38 Objekte im Angebot. Ihr Kostenrahmen bewegt sich zwischen 1,5 und 30 Millionen Euro. Im Zuge des Erwerbs sind zudem die Bewirtschaftung und Erhaltung als wesentlicher Budgetpunkt mitzukalkulieren, so Kurz.

Schwieriges Größenlimit

Den Wert des Objekts bestimmen weniger die Tatsache eines adeligen Vorbesitzes, sondern vielmehr Kriterien wie die Lage, der Zustand der Bausubstanz und die Größenordnung. Bei originalen Ausstattungselementen wie einem Kreuzrippengewölbe, Holzbretterböden und Intarsienparkett geraten Liebhaber historischer Bauwerke durchaus in Verzückung. Weniger der Fall ist das, wenn es um kostenintensive Wohnflächen jenseits der 2000 Quadratmeter geht – vor allem dann, wenn man das Schloss oder die Burg rein als Familienwohnsitz zu nutzen gedenkt. „Der Großteil der Klientel wünscht sich überschaubare Flächen in der Größenordnung von 1000 bis 1500 Quadratmetern“, erklären Angerer und Huber. Nutzungskonzepte wie das eines Schlosshotels, Seminarzentrums oder einer Seniorenresidenz lassen freilich auch größer dimensionierte Anwesen attraktiv erscheinen.

Große Grundstücke sind dagegen für die meisten potenziellen Käufer ein absoluter Pluspunkt – man denke an die Nutzung für die Eigenjagd, über den Forst bis hin zu landwirtschaftlichen Flächen. Schließlich gehe damit auch eine sichere Investition in Grund und Boden einher, „das Schloss selbst kann aufgrund des Erhaltungsaufwandes nicht wirklich als Anlage gesehen werden“, gibt Angerer zu bedenken.

„Mit dem Kauf eines Schlosses oder einer Burg ist ein finanzieller, aber auch ein hoher ideeller Aufwand verbunden“, lässt Kottulinksy keinen Zweifel daran, dass es „immer auch um die Erhaltung österreichischen Kulturgutes geht. Es ist eine große Aufgabe und eine große Verantwortung.“ Den Denkmalschutz will der Experte dabei nicht allein als „negatives Instrumentarium, das in fremdes Eigentum eingreift“ verstanden wissen, sondern als Kompetenzstelle für Expertenwissen in Bezug auf traditionelle Methoden und Materialien. Eine Überrestaurierung, etwa durch den Einsatz von Thermoputz, sieht er durchwegs kritisch.

Wasserburg und Schlössl

Dass Objekte dieser Art überhaupt auf den Markt kommen, kann mehrere Gründe haben: die Erbfolge, die Änderung des Lebensmittelpunktes oder der familiären Situation. Es kann aber auch sein, „dass einfach die Dimension der Dach- und Mauerflächen, die Notwendigkeit umfassender Beheizung und Trockenlegung die Investitionsmöglichkeiten einer Besitzerfamilie übersteigen“, schildert Kottulinsky. Ist es um den Zustand des Gemäuers schlecht bestellt, benötigen deren Besitzer zumindest eine halbe Million Euro, meint Angerer.

Grundsätzlich gilt: „Der Markt ist konstant. Es werden immer wieder Objekte verkauft, es gibt immer wieder Interessenten“, bringt es Huber auf den Punkt. Aktuell steht ein Schloss in Oberösterreich, eine ehemalige Wasserburg aus dem 15. Jahrhundert, mit einer Wohnfläche von 3300 Quadratmetern und einem 4,4 Hektar großen Areal samt Weiher zum Verkauf. In der Steiermark wiederum sucht ein 860 Quadratmeter großes Schlössl in leicht erhöhter Lage mit Blick auf Graz einen neuen Besitzer.

Das Potenzial von Ruinen

Je nach Nutzungskonzept spielt die Lage eine mehr oder weniger wichtige Rolle: „Ein Zweitwohnsitz mit Jagd kann sich durchaus in größerer Distanz zum Lebensmittelpunkt befinden, ein Hauptwohnsitz dagegen muss Kriterien wie Nähe zu Arbeitsplatz und Schulen erfüllen. Allerdings akzeptiert man eine gewisse Entfernung zur Infrastruktur ohnedies, wenn man ein Schloss oder eine Burg erwirbt“, so Huber. Schließlich sind ja Alleinlagen in parkähnlichen Landschaften ein Charakteristikum dieser Objekte. Ein Schloss an der tschechischen Grenze sei allerdings dennoch schwerer zu verkaufen – Kurz verweist darauf, dass Kunden gewisse Anforderungen in Sachen guter Erreichbarkeit haben.

Nicht zuletzt will über Lage, Bausubstanz und Größenordnung hinaus der Geschmack der Interessenten getroffen werden. „Wem ein Barockschloss vorschwebt, der entscheidet sich nicht plötzlich für eine Burg“, schmunzelt Angerer. Liebhaberei war auch bei jenen Immobilienkäufen im Spiel, von denen Kurz berichtet: ein deutscher Konzernchef zum Beispiel, der seinen Firmensitz im Zuge eines Schlosskaufs nach Salzburg verlegte, ein anderer Käufer, der eine Ruine aufgrund der attraktiven Lage zu neuem Leben erweckte. „In einer schnelllebigen Zeit setzt man mit dem Kauf eines Schlosses oder einer Burg einen Kontrapunkt“, konstatiert Angerer, „es geht eben um Tradition und Beständigkeit.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2012)

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