Dänemark: Altes Erbe, neue Welle

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Die Dänen und ihre Helden: Das Design und die Architektur blicken gern zurück und schauen noch lieber voraus.

Egal, in welchem Land. Helden sind nie verkehrt. Auf die alten kann man schön stolz sein, auf die neuen hoffen. Dänen tun sich dabei leicht. Sie haben beides: große Vorbilder und große Hoffnungen,
im Design und vor allem auch in der Architektur. Arne Jacobsen ist einer, auf den eine Nation so richtig stolz sein kann. Der Traditionshersteller Fritz Hansen hält sein Werk am Leben, indem er die ikonischen Möbelentwürfe noch heute produziert. Sein architektonisches Werk hat sich unverrückbar auf den goldenen Seiten der Architekturgeschichte verewigt, im Kapitel „Moderne“.
Heute gestalten Dänen noch immer Möbel, als gäbe es nichts Selbstverständlicheres auf der Welt. Und junge dänische Architekturbüros sind ehrgeizig, erfolgreich und anders genug, sodass man sie nun schön mit „der neuen Welle in der dänischen Architektur“ überschreiben kann. Die Entwürfe, die dänische Architekten auf den Markt der Ideen werfen, erzählen von einem neuen Paradigma: der pragmatischen Wende. Sie selbst dürfen darin eine Rolle spielen, die Architekten schon einmal hatten: als Antwortgeber auf wesentliche, gesellschaftliche Fragen.



Das Design für überall.  Arne Jacobsen ist fast so etwas wie der Ausstatter des Vertrauens im halb öffentlichen Raum. Vor allem, seitdem er 1934 seine Zusammenarbeit mit dem dänischen Möbeltraditionsbetrieb Fritz Hansen
begonnen hat. Seitdem sitzen Menschen auf aller Welt auf seinen Entwürfen. In Hotellobbys sowieso und überall dort, wo sich in Gebäuden Menschen treffen, um jemandem zuzuhören, zu warten oder Zeit zu überbrücken. Die Stühle der berühmten Serie 7 von Fritz Hansen bieten da auch gern Platz an. Oder die „Ameise“, ein Stuhl, der so aussieht, wie er heißt – „Myren“ auf Dänisch – der Stuhl, der Jacobsen so richtig berühmt gemacht hat. Jetzt steht er auch temporär neben den Entwürfen von Otto Wagner im „Otto-Wagner-Werk“, Museum Postsparkasse, im Rahmen der Ausstellung „Dansk MØbel Design“, die noch bis 17. November läuft.
Die  künstlerische Leiterin Monika Wenzl-Bachmayer hat sie gemeinsam mit Wolfgang Förster kuratiert. „Arne Jacobsen und Poul Kjaerholm für Fritz Hansen“ heißt der Subtitel der Schau. Das bedeutet: Zwei Positionen des dänischen Designs stehen sich in der Kassahalle gegenüber. Auf der einen Seite „die verspielte, organische Designsprache von Jacobsen“, wie Wenzl-Bachmayer erklärt. Und: „Die meisten der Entwürfe sind ja im Zuge von Architekturprojekten entstanden.“ Auf der anderen Seite: Poul Kjaerholm, der weniger bekannte Designer, der Tischler war. Er mochte das Material Stahl so gern wie die minimalistische Form.

Jacobsen „Myren“-Stuhl war Teil eines architektonischen Gesamtkonzepts für eine Fabrikskantine. Er reduzierte die Zahl der Beine von vier auf drei, formte mit der Ameisentaille die Lehne. Das Ergebnis: in Holz gebogene Leichtigkeit. Eine andere unsterbliche Form: der Schwan.
Noch heute gern genutzt, um darauf etwas zu repräsentieren, eine Rolle zum Beispiel. Selbst für Jurymitglieder in einer Fernsehcastingshow hält er her, wie Kuratorin Wenzl-Bachmayer bemerkt hat. „Svanen“ heißt der Stuhl auf Dänisch, auf Englisch – als „Swan“-Chair – hat er Geschichte gemacht. Im berühmten „SAS“-Hotel in Kopenhagen stand er zuerst. Gemeinsam mit einem Stuhl, der noch prägnanter im Formengedächtnis des Designs sitzt: der „Egg“-Chair, auf Dänisch „Aegget“, der den Sitzer fast „umarmt“, wie Wenzl-Bachmayer erzählt. Hotellobbys und andere semiöffentliche Räume statten sich gern damit aus. Das „Ei“ spendet einen temporären Ruhe- und Rückzugsbereich. Drehbar ist er, das ermöglicht die Teilnahme an verschiedenen Situationen. Im „SAS“-Hotel, dem Klotz der Moderne, der sich eine „Curtain Wall“-Fassade vor das Stahlbetonskelett gehängt hat, ist der „Aegget“ nur Detail, Teil des Gesamtkunstwerks. Das verbindet ihn auch mit dem Ort, an dem er in Wien Ausstellungsstück ist, die Parallele zu Otto Wagner. „Auch bei ihm“, sagt Wenzl-Bachmayer, „kam alles bis zur Türklinke aus einer Entwurfshand.“

Große Opern. Jacobsen war ein Architekturheld. Und Jørn Utzon natürlich auch, die Oper von Sydney, bitte schön, Pritzkerpreisträger. Auch Architekt Henning Larsen, der schon Mitarbeiter bei Jacobsen war, lieferte eine Oper ab: jene für Kopenhagen, fertig war sie im Jahr 2005, und harmonisch lief dabei kaum etwas ab. Seit mehr als einem Jahrzehnt zeigen sich die jungen Architekturbüros in Dänemark so mutig wie lange nicht. Auf der „Neuen Welle“ reitet etwa ein Bjarke Ingels ganz weit vorn. Auf den Fahnen seines Büros BIG steht groß:  „Pragmatisch.“
Architektur, die der Situation dient, und den Menschen, die sich in ihr befinden. Da dürfen sich dann auch die Funktionen von Gebäuden ungewöhnlich addieren. Die Müllverwertungsanlage in Kopenhagen etwa, ein aktuelles Projekt – ihr ist Müll aufzubereiten nicht genug, sie wird auch zum Wintersportort. Ein Skihang erschließt das Projekt ebenso für die Freizeit der Kopenhagener. Mit seinem ersten Büro Plot faltete Ingels eine Reihen-
haussiedlung wie ein Gebirge auf. Oben das Häuschen
mit Vorgarten. Darunter die Parkgarage, die sich als so
chic entpuppte, dass sie gleich als Partylocation gebucht wurde. „Mountain Dwelling“ hießt das Projekt. Der Architekt, so scheint’s, rückt wieder in die Mitte des gesellschaftlichen Diskurses. Eine ganze Generation dänischer Architekturbüros – dazu gehören auch Adept, Effekt, Nord, Cobe – liefert neue Antworten, Ideen und Geschichten, auf die eine Gesellschaft, auf die die ökonomische Krise drückt, nur gewartet hat. 

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