Nur in London wird investiert

Aus Angst vor einem Zusammenbruch des Euro halten sich die Geldgeber mit Investitionen in Südeuropa zurück. Die Nachfrage ist überall flau.

Die Investoren üben sich in Vorsicht, was europäische Gewerbeimmobilien betrifft. Im dritten Quartal flossen 28,4 Mrd. Euro in den Markt, wie aus einem Bericht von CBRE hervorgeht. Das ist gegenüber dem Vorjahr ein leichter Rückgang. In einigen Regionen fiel der Rückgang deutlicher aus, in Südeuropa betrug er 60 Prozent. CBRE-Österreich-Chef Andreas Ridder führt das auf die Angst vor einem Zerfall der Eurozone zurück. Im Zweifelsfall investiert man noch in Deutschland, Österreich oder den Benelux-Staaten.

Das meiste Geld fließt in das Nicht-Euroland Großbritannien. Das Volumen erhöhte sich um 40 Prozent auf zwölf Mrd. Euro. Das Land profitiert von seiner Lage als Finanzplatz Nummer eins. Trotz hoher Preise würden sich Investoren aus dem arabischen Raum oder Südkorea, die neu in Europa investieren wollen, primär an diesem Standort umsehen, sagt Ridder.

Bei Nachfrage, Miethöhe und Leerstandsraten zeige sich ein ambivalentes Bild, stellt Lydia Brissy fest. Sie ist beim internationalen Maklerunternehmen Savills für European Research zuständig. Das Unternehmen erwartet im laufenden Jahr einen Anstieg der Spitzenmieten um 1,4 Prozent. Während in Städten wie London, Lyon oder Hamburg die Mieten deutlich anziehen, geben sie in Athen, Madrid oder Dublin nach. Die Savills-Experten erwarten, dass die Schuldenkrise im nächsten Jahr in ganz Europa ihren Niederschlag findet. Die Märkte würden sich im besten Fall stabil halten oder leicht nachgeben. Im Jahr 2014 sollte dann eine nachhaltige Erholung einsetzen. „An Standorten wie Madrid, Athen, Lissabon und Dublin könnte es noch ein wenig längern dauern“, glaubt Brissy.

Was die Nachfrage betreffe, so erholten sich derzeit am deutlichsten die Büromärkte in London, Paris und Stockholm, allerdings aus unterschiedlichen Gründen: London profitiere davon, der wichtigste Finanzplatz Europas zu sein. In Paris habe man die Bauaktivitäten gestoppt, was jetzt den Büromarkt entlaste. Und in der schwedischen Hauptstadt hinterlasse die gute Konjunktur ihre Spuren auf dem Büromarkt. „Dort wächst die Beschäftigung, was die Nachfrage nach Flächen erhöht“, sagt Brissy. Einen starken Boom erwartet sie auch in diesen Städten nicht. Es sei zu befürchten, dass es im nächsten Jahr eher seitwärts gehe.

Nachfrage kommt von Technologiefirmen

Einer der wenigen Sektoren, von dem verstärkt Nachfrage nach Büros kommt, sei der so genannte TMT-Bereich, erklärt die Expertin. Die Abkürzung steht für „Technologie, Medien, Telekommunikation“. Für Technologiekonzerne kommen aber nicht alle Büros infrage. Solche Firmen fragten nur große Flächen nach und legten Wert auf modernste Ausstattung. In leer stehende alte Büros ziehen sie nicht. Die Folge: Die Schere zwischen gut gelegenen modernen Büros und solchen mit überholter Ausstattung in Randlagen wird größer. Das treffe auch auf boomende Standorte wie Stockholm zu. Dort liege die Leerstandsrate bei fünf Prozent, in Toplagen stünden halb so viele Büros leer.

Büros mit veralteter Ausstattung und in schlechter Lage haben es derzeit fast überall schwer, neue Mieter zu finden. „Aber in zwei bis drei Jahren, wenn diese Lagen wirklich billig geworden sind, könnten sie wieder attraktiv für Mieter sein“, meint Brissy. Zumindest dann, wenn die Nachfrage wieder anziehe.

Auf einen Blick

Im dritten Quartal flossen 28,4 Mrd. Euro in europäische Gewerbeimmobilien. Mehr als ein Drittel davon entfiel auf Großbritannien. Das Land profitiert von seiner Stellung als Finanzplatz Nummer eins und als Nicht-Euroland. Innerhalb der Eurozone investiert man am ehesten in Deutschland, Österreich und den Benelux-Staaten. Von den südeuropäischen Krisenländern lassen die Investoren die Finger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2012)

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