Wohnen im Untergrund

Dunkle Schimmelhochburg oder lichtoptimierte Gartenwohnung? Was für und was gegen Wohnflächen im Tiefparterre spricht, und worauf Interessenten achten sollten.

Das Souterrain. Was im Französischen durchaus reizvoll klingt, hat im Deutschen weniger Charme: die Kellerwohnung, die zum Teil unter der Erdoberfläche liegt. Historisch gesehen fanden im Souterrain einst Dienstboten- und Hausmeisterwohnungen oder kleine Gewerbe Platz. „Hochwertiger Wohnraum war hier nie ein Thema“, weiß Martin Müller, Geschäftsführer von JP Immobilien. Doch wo urbaner Lebensraum eng wird und Wohnflächen Geld bringen, können auch sie als Option schnell zum Objekt der Sanierungsbegierde werden. „Zusätzlich verwertbare Flächen zu schaffen ist aufgrund des steigenden Wohnungsbedarfs durchaus ein Thema. Da gilt es auch die Potenziale im Altbau zu berücksichtigen“, bestätigt Richard Buxbaum von Otto Immobilien.

Schreckgespenst Schimmel

Ein diesbezüglicher Trend zum Tiefparterre ist im Gegensatz zu anderen Metropolen wie Paris und Hamburg in Wien allerdings (noch) nicht zu orten. „Nur wenige Projektentwickler tun sich das an, es rechnet sich oft nicht“, verweist Müller auf die größte Schwachstelle der Wohnflächen unter Straßenniveau – die Feuchtigkeit, die die Sanierungskosten in die Höhe treibt. „Wohnungen im Souterrain sind nur sehr schwer trocken zu bekommen. Da müsste man oft mehr hineinstecken, als man herausbekommt“, urteilt auch Architekt Martin Koczy vom Architekturbüro project-m. Dass sich eine umfassende Sanierung und Schaffung von Wohnraum oft nicht rentieren, liegt darüber hinaus daran, dass „Faktoren wie ungünstiger Lichteinfall oder die Widmung als Lager- oder Geschäftsraum dagegen sprechen“, meint Buxbaum. Wenig attraktiv sind auch minimale Lichthöfe, die in erster Linie als sanitäre Anlage für die Taubenpopulation dienen. Und eine Adaption von Tiefparterreflächen sei in manchen Fällen schon allein deshalb nicht möglich, „weil Aufenthaltsräume laut Bauordnung zumindest 15 Zentimeter über dem Außenniveau liegen müssen“, ergänzt Koczy.

Mit der Betitelung „Gartenwohnung“ versucht man heute dennoch, die besten Seiten der halb unterirdischen Lage hervorzukehren. Tatsächlich trägt es zur Attraktivierung des Wohnraums bei, wenn bei den hofseitig gelegenen Bereichen das Niveau des Gartens abgesenkt und so der ebenerdige Weg ins Grüne geöffnet wird. Architekt Stefan Puschmann vom Büro formann2puschmann architekten wertet auf diese Weise gerade eine Kellerwohnung in einem frei stehenden Haus im 13. Wiener Gemeindebezirk auf, in dem alle Wohneinheiten saniert werden. Ein großzügiger Vorgarten erleichtert ihm dabei auch ein straßenseitiges Abgraben und damit die Integration eines vollwertigen Geschoßes. Zudem zeichnet sich gerade dieser Bereich durch eine Südwest-Ausrichtung aus, während sich der Garten nach Norden orientiert. Großflächige Verglasungen, eine Erweiterung von Raumtiefe und -höhe werden für eine bessere Belichtung im offenen Wohnraum sorgen.

Hegt man Interesse für das Wohnmodell Souterrain, so ist man jedenfalls gut beraten, einen geschulten Blick auf das Objekt zu werfen. „Optisch nette Lösungen können sich auf den zweiten Blick als durchaus problematisch herausstellen“, so Müller. Buxbaum rät dazu, die Qualität des Bauwerkes, die Abdichtungsmaßnahmen und das Umfeld des Hauses sowie die Geländestruktur – könnte es durch die Lage in einer Senke beispielsweise bei starkem Regenfall zu Beeinträchtigungen kommen? – gezielt unter die Lupe zu nehmen.

Kühles Plätzchen im Sommer

Die Pluspunkte: An heißen Tagen sorgt das unterirdische Klima für angenehme Raumtemperaturen. Daher werden längst auch bei Neubauten in Hanglagen durch teilweise eingegrabene Geschoße die positiven Seiten von Kühleffekten im Sommer und die Erdwärme im Winter genutzt. Im urbanen Bereich ist das Straßenniveau auf Kopfhöhe nicht so störend, wenn die Sanitär- und Arbeitsräume in diesem Bereich liegen. Für Charme sorgen bauliche Details wie Gewölbe und Stahlträger.

Dient das Tiefparterre als Gemeinschaftsfläche, so bietet sich eine Vielfalt an Möglichkeiten an – von Werkstätten- und Hobbyräumen bis hin zu Poolanlagen. „Eine elegante Lösung ist die Einrichtung eines Weinkellers in einem klassischen Ziegelgewölbe. Auf diese Weise kann die Erdfeuchte positiv genutzt werden“, sagt Müller.

Auf einen Blick

Im Gegensatz zu Städten wie New York oder London haben Souterrainwohnungen in Österreich keine Tradition. Dabei würde das Tiefparterre gerade in diesen Tagen angenehme Kühle versprechen. Doch die Ängste vor Schimmelbildung, mangelndem Licht und hohen Ausbaukosten überwiegen. Ansätze zur Attraktivierung gibt es dennoch: etwa, wenn durch die hofseitige Absenkung des Gartens der ebenerdige Weg ins Grüne geöffnet wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2013)

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