Besichtigungen: Schöner wohnen im Kopf

Weil sich die meisten Menschen nicht vorstellen können, wie ein leerer Raum mit Mobiliar wirkt, wird der Fantasie immer häufiger auf die Sprünge geholfen. Weniger ist dabei allerdings mehr.

Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance – das gilt auch und gerade für Immobilien. Seit einigen Jahren wird dieser alten Weisheit vor allem im Luxusbereich immer professioneller Rechnung getragen, das Thema „Home Staging“ – also das Ausstaffieren einer Wohnung für den Verkauf – setzt sich nach zögerlichen Anfängen auch in Österreich langsam durch; bei großen Projekten sind Musterwohnungen immer häufiger die erste Anlaufstelle für die potenziellen Kunden oder Käufer. Ganz leicht hatte es dieses „Aufbrezeln“ von Immobilien hierzulande nicht, anders als die Deutschen, Schweizer oder Amerikaner waren Herr und Frau Österreicher lange nicht dafür zu erwärmen, Geld in die Hand zu nehmen, um Immobilien für den Verkauf zu schmücken.

Schneller verkauft, weniger Abzüge

„Anfänglich wurden wir nur für schwierige Objekte engagiert, bei denen der Verkäufer schon verzweifelt war“, erinnert sich Elisabeth Schlicker, Inhaberin der Home-Staging-Agentur „Raum und Seele“, an die Anfänge ihres Unternehmens 2007. Heute sei das Thema schon wesentlich bekannter, und immer mehr sähen inzwischen auch die Sinnhaftigkeit des Unterfangens. Verständlicherweise, denn glaubt man den Statistiken, lohnt sich der Einsatz: Wer ein bis zwei Prozent der Kaufsumme in das Home Staging investiert, kann im Durchschnitt fünf bis zehn Prozent mehr einnehmen.

Wobei es hier nicht darum geht, diese Prozente ungeschaut aufzuschlagen, sondern vielmehr darum, keine Abschläge hinnehmen zu müssen und das Objekt schneller an den zahlenden Kunden zu bringen. Eine Erfahrung, die auch Elisabeth Rohr, Inhaberin des gleichnamigen Immobilienbüros, gemacht hat: „Home Staging verkürzt die Verwertungsdauer ganz extrem“, so die Maklerin, „gerade die kleinen Dingen machen oft so wahnsinnig viel aus.“

Warum aber ist es so wichtig, eine Immobilie mit Möbelstücken und Bildern aufzurüschen? Stören nicht die fremde Leihcouch und der Luster eher bei der Vorstellung, wie der Raum mit den eigenen Lieblingsstücken aussehen würde? Und ist nicht gerade die Weite des leeren Wohnzimmers das, was den Käufer für das neue Heim einnimmt? „Nein“, versichert Schlicker, „denn leere Räume wirken immer kleiner, da man die Grenzen besonders gut sieht. Wenn etwas im Raum steht, wandert dagegen der Blick dorthin. Nur drei Prozent der Menschen können sich das eigene Mobiliar dort überhaupt vorstellen“, weiß die Expertin. „Und auch die Kunden, die sagen, sie könnten es sich vorstellen, können es nicht“, ergänzt Rohr, „viele sind da einfach verloren und überfordert.“ Das fange nicht erst beim Mobiliar an, sondern schon früher, weshalb Rohr auch eiligen Eigentümern rät, zumindest so lange mit der Vermarktung eines Objektes zu warten, bis der Boden verlegt wurde und die Wohnung lebendiger wirken lässt. Auf diesen platzieren Schlicker und ihre Kollegen dann sorgfältig ausgewählte Möbelstücke: Weniger ist beim Home Staging mehr, es geht eher darum, Andeutungen zu machen, was möglich ist, welche Möbel in diesen Räumen Platz haben, und damit das Potenzial der Immobilie zu zeigen. Gearbeitet wird hier teils mit Mietmobiliar, teils mit Möbeln aus dem eigenen Fundus, und manchmal wird auch ein Stück extra angefertigt.

Muster des gediegenen Wohnens

Noch ein bisschen höher ist die Investitionsbereitschaft, wenn es um die Gestaltung einer Musterwohnung geht – was vor allem bei größeren Objekten immer häufiger zum Standard gehört, zumal im absoluten High-End-Bereich wie beispielsweise dem Goldenen Quartier. Hier belief sich die Ausstattung der Musterwohnung pro Quadratmeter auf eine Summe im deutlich fünfstelligen Bereich, um Interessenten aufzuzeigen, wie die Traumimmobilie am Ende aussehen könnte. „Bei solchen Musterwohnungen ist es wichtig, dass den Kunden auch wirklich der Standard gezeigt wird, der später in den Wohnungen zu finden ist“, erklärt Rohr. Was bedeutet, dass der Bodenbelag, über den er in der Musterwohnung schreitet, dann auch wirklich der Regelausstattung der Wohnung entsprechen muss. „Sonst wird der Kunde grantig, wenn für den Boden dann ein Aufpreis verlangt wird“, erklärt sie.

Manchmal gelingt das Kunststück der geschmackvollen Inszenierung aber auch ein bisschen zu gut: „Oft ist die Musterwohnung dann als Erste verkauft“, so Rohr, „wobei sich der Käufer in der Folge verständlicherweise dagegen verwehrt, dass noch Heerscharen von Kunden durch seine neue Wohnung laufen.“

Was dann für den Verkäufer bedeutet, dass die nächste Einheit in dem Komplex für den großen Auftritt bühnenreif ausgestattet wird – und hoffentlich nicht wieder zu schnell vergriffen ist. SMA

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2013)

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