Fertighäuser: Den Architekten im Schlepptau

Haus von der Stange war gestern, individuelle Planung ist heute. Was es bei der Realisierung zu beachten gilt, und wann es teuer werden kann.

Ein Fertighaus ist ein Fertighaus ist ein Fertighaus? „Noch immer herrscht die weit verbreitete Meinung, dass ein Fertighaus einfach ein Haus von der Stange ist“, moniert Michael Regnauer, Geschäftsführer von Regnauer Hausbau im deutschen Seebruck. Dabei sei heute eigentlich nur noch die industrielle Vorfertigung standardisiert. Das bestätigt Christian Murhammer, Geschäftsführer des Österreichischen Fertighausverbandes (ÖFV): „Der Trend zu individuell geplanten Fertigteilhäusern hat sich in den letzten Jahren verstärkt, und die Branche hat darauf reagiert.“

Maßstab 1:1

Die Fertighausquote beträgt in Österreich knapp 30 Prozent. Die Zahl der verkauften Fertigteilhäuser ist 2012 laut ÖFV allerdings um 4,5 Prozent auf rund 4300 zurückgegangen, weshalb das Eingehen auf Kundenwünsche immer wichtiger wird. Für Häuslbauer eröffnen sich dadurch unterschiedliche Wege: Entweder man plant das Haus zuerst gemeinsam mit dem Architekten seines Vertrauens, oder aber man wendet sich mit ersten Ideen und Skizzen gleich direkt an einen Fertighausproduzenten. „Die Adaptierungen am Musterhaus kann man im Maßstab 1:1 erarbeiten. Viele Unternehmen beschäftigen zu diesem Zweck bereits Architekten im eigenen Haus“, weiß Murhammer.

Für Individualisten haben die Fertighausproduzenten auch unkonventionellere Musterhäuser im Programm. Das energieautarke Regnauer-Musterhaus Ambienti+ beispielsweise setzt auf organische Formen – das auskragende Obergeschoß mit Panoramafenster beherbergt nicht nur Schlafräume, sondern auch das Wohnzimmer. Die Geschoße lassen sich in zwei separate Wohneinheiten trennen, und die Fotovoltaikanlage auf dem Dach versorgt eine in die Außenwand integrierte Haustankstelle für ein Elektroauto.

Grenzen der Machbarkeit

Individualität sei vor allem dort sinnvoll, so Regnauer, wo es um die Platzierung und Größe von Fenstern, um Raumgrößen und -höhen, um die Innenausstattung, die Wahl von Oberflächen und um das Gesicht des Hauses gehe. Bei Energiesystemen komme es zudem darauf an, dass Glasfassaden und Solarpaneele richtig ausgerichtet sind, um sinnvoll eingesetzt zu werden. „Während der Schichtaufbau der Wände und der Anschluss der Fenster an die Wand standardisiert sind, tun sich beispielsweise beispielsweise bei Fassadenoberflächen schon durch die Art des Putzes, die Farbe, die vertikale oder senkrechte Holzschalung viele Wahlmöglichkeiten auf“, betont Regnauer.

Ob großzügige Dachterrasse, umlaufender Laubengang, angedockter Wintergarten oder großflächige Verglasungen – bautechnisch sind den Kundenwünschen kaum Grenzen gesetzt. „Da geht es maximal um Dinge wie freitragende Platten, die eine gewisse Spannweite überschreiten“, sagt Erich Weichselbaum, Geschäftsführer von Elk Fertighaus. Freilich schlägt sich ein hohes Maß an Individualität auch in den Kosten nieder. „Das verhält sich ähnlich wie beim Auto: je größer das Budget, desto besser die Ausstattung. Sind die Mittel knapp, sollte man sich enger am Musterhaus orientieren“, empfiehlt Regnauer. „Wenn keine Sonderwünsche an den Ausführenden herangetragen werden, wird ein individuell geplantes Haus nicht spürbar teurer sein als ein Haus von der Stange“, erklärt auch Johann Braunsdorfer, Geschäftsführer von Magnum Vollholzdesign. „Alle Ausstattungsattribute wie überdachte Terrassen, Bussysteme in der Elektroinstallation und Sonnensegel verteuern den Bau aber natürlich.“

Nichts überhasten

Einer Bedarfsanalyse sowie der Prüfung der Bebauungsbestimmungen und Grundstücksgegebenheiten folgt ein Planungsvorschlag. „Grafische Gestaltungen sind wesentlich, der Kunde sieht gern vorher, was er bekommt“, so Braunsdorfer. Dabei besteht die Möglichkeit, zwischen den einzelnen Baustufen – Ausbauhaus, belagsfertiges oder schlüsselfertiges Haus – zu wählen. Murhammer rät dazu, sich im Vorfeld bei der Auswahl viel Zeit zu lassen und nicht zu schnell zu entscheiden. Rasch gehe es dann ohnehin in der Bauphase, die rund sechs Monate betrage.

Was Sie beachten sollten bei... Fertighäusern

Tipp 1

Abwägen. Zu den Vorteilen von Fertighäusern gehören eine kürzere Bauzeit, reduzierte Behördengänge, ein einziger Ansprechpartner bei der Ausführung sowie eine Fixpreisgarantie. Auf der Negativseite firmieren eine schwieriger lösbare Luftdichtheit der BauteiIanschlüsse, eine meist etwas eingeschränkte Grundrissgestaltung und Materialauswahl sowie ein tendenziell etwas niedrigerer Wiederverkaufspreis.

Tipp 2

Besichtigen. In den einschlägigen Katalogen werden Musterhäuser mit oft bearbeiteten Fotos besonders vorteilhaft dargestellt. Um ein echtes Gefühl für die Beschaffenheit der Räume und Aufteilungsmöglichkeiten zu bekommen, sollte man daher Musterhäuser möglichst vor Ort besichtigen. Alle größeren Fertighaushersteller haben eigene Parks, in denen die Grundtypen ausgestellt sind.

Tipp 3

Bestätigen. Vertrauen ist gut, Kontrolle besser. Will man sichergehen, dass es zu keinen Problemen kommt, sollte man im Vorfeld Referenzen vom entsprechenden Bauunternehmen sowie den Herstellern der Einzelteile einholen. Empfehlenswert ist auch das Bestehen auf einer schriftlichen Bestätigung, dass alle gesetzlichen Bestimmungen für Wärme-, Brand- und Schallschutz eingehalten werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.