Umbau – Statik und Recht: Mauerfall mit ungeahnten Folgen

Selbst nicht tragende Wände erfüllen statische Aufgaben. Und auch ein simpler Türdurchbruch kann Jahre später für einen Dachausbau kostspielige Folgen haben.

Welche Folgen unsachgemäße Arbeit an tragenden Wänden haben kann, weiß der Wiener Anwalt und Baurechtsexperte Richard Köhler aus Erfahrung: Als er eines Tages sein Büro aufsperren wollte, ließ sich die Tür nicht mehr öffnen. „Eine Baufirma hat im Keller eine tragende Mauer entfernt, was schwere Setzungsschäden zur Folge hatte“, erzählt Köhler. Der Schaden am Haus war beträchtlich, die Versicherung des Bauunternehmens weigerte sich wegen grober Fahrlässigkeit zu zahlen. Dem erfahrenen Anwalt gelang es letztlich, einen Großteil der Schadenssumme von der Baufirma zurückzuholen, bevor sich diese in den Konkurs verabschiedete.

Aber nicht nur bei tragenden Wänden kann unsachgemäßes Arbeiten Konsequenzen haben, warnen Experten. „Dünne Zwischenwände in Altbauten ohne tragende Funktion gehen oft über mehrere Geschosse durch“, erklärt der Wiener Baumeister Rainer Pawlick. Wer glaubt, mit dem Abbruchhammer aus dem Baumarkt in Heimarbeit einen Durchbruch in eine solche Wand stemmen zu können, dem droht eventuell eine böse Überraschung: „Die Wand rutscht von oben nach und wird dann über mehrere Geschoße beschädigt. Das kann für das Bauwerk katastrophal sein“, warnt Pawlick.

Oft gar nicht harmlos: Türdurchbruch

Probleme bringt das Arbeiten an einer nicht tragenden Wand mitunter aus einem anderen Grund: „Solche Elemente haben auch eine aussteifende Funktion, um seitliche Kräfte wie Wind oder Einwirkungen von Erdbeben abzuleiten“, so Andreas Kolbitsch, Universitätsprofessor am Institut für Hochbau und Technologie der TU Wien. Seit Mai existiert für die konstruktive Beurteilung von Gebäuden im Zug von Umbauarbeiten eine neue Regelung auf Basis der EU-Erdbebennorm: „Darin ist jetzt bis ins Detail festgelegt, bei welchen Arbeiten welche Bereiche eines Hauses von Statikern bewertet werden müssen.“ Theoretisch könnte bereits der Einbau einer Tür in eine nicht tragende Wand die statischen Eigenschaften des Hauses verändern. Dabei käme es nicht zwingend zu einem direkten Bauschaden. Aber eventuell könnte Jahre später ein Dachbodenausbau wegen der geänderten statischen Eigenschaften nur mehr eingeschränkt oder mit teuren Zusatzmaßnahmen möglich sein. Die Mehrkosten hätte letztlich der zu tragen, der die Tür einbauen ließ. Kolbitsch rät, immer Experten beizuziehen.

Lösen lassen sich mögliche statische Probleme fast immer, sagt Kolbitsch: „Im Regelfall braucht es kompensatorische Maßnahmen, die dem Gebäude die vorher vorhandene Steifigkeit wieder geben.“ Selbst tragende Wände lassen sich beim Setzen entsprechender Maßnahmen entfernen. Heute wird meist rund um die neue Öffnung ein Stahlrahmen eingezogen. „Aber es gibt weit mehr Möglichkeiten, die bei komplexeren Fällen genutzt werden“, sagt Baumeister Pawlick. Sollte die punktuelle Belastung des Mauerwerks durch den Umbau zu groß sein, wird es etwa durch Kunstharzverpressung verstärkt. In extremen Fällen braucht es Vorkehrungen, um Lasten durch eine Stahlkonstruktion über mehrere Stockwerke bis in die Fundamente abzuleiten – was oft finanzielle Grenzen sprengt.

Nicht nur die Statik kann den Ausbaudrang bremsen, sondern auch die rechtliche Situation. Ein Mieter darf ohne Genehmigung des Eigentümers eigentlich nur Bilderhaken in die Wand schlagen. Für alles andere benötigt er die Zustimmung des Vermieters. Fachleute empfehlen, Änderungswünsche schriftlich der Hausverwaltung anzuzeigen. Die tunlichst auf dieses Schreiben reagiert: „Der Verwalter muss innerhalb von zwei Monaten die Zustimmung verweigern, antwortet er nicht, gilt die Zustimmung erteilt“, weiß Christoph Kothbauer von der Onlinehausverwaltung. Es gibt „privilegierte Veränderungen“, denen der Hauseigentümer in der Regel zustimmen muss. Das sind Arbeiten, die der Standardanhebung der Wohnung dienen, verkehrsüblich und im wichtigen Interesse des Mieters sind. Dazu zählt etwa ein Badezimmereinbau oder der barrierefreie Umbau. Das Abtragen der Wand zwischen Küche und Wohnzimmer ist aber ebenso keine „privilegierte Veränderung“ wie der Einbau einer Tür, um zwei Wohnungen verbinden. „Wird der Wert der Wohnung erhöht, wird der Vermieter mit Umbaumaßnahmen aber meist einverstanden sein“, beruhigt Kothbauer. Wohnungseigentümer haben es besser: Sie können in ihren Wänden baulich tun und lassen, was sie wollen. Hier muss selbst für größere Umbauarbeiten nur die Baugenehmigung durch die Baubehörde erteilt werden und die fachgerechte Ausführung gewährleistet sein.

Was Sie beachten sollten beim ... Umbauen und Wändeeinreißen

Tipp 1

Statik. Selbst das Durchbrechen einer Wand für den Einbau einer Tür kann zu Schäden in darüberliegenden Wohnungen führen oder die Statik eines Hauses verändern. Alle Maßnahmen an tragenden und nicht tragenden Wänden sollten deshalb von Experten beurteilt und ausgeführt werden. Durch clevere Kompensationsmaßnahmen lassen sich aber ohne Gefahr für die Bausubstanz selbst tragende Wände entfernen.

Tipp 2

Zustimmung. Mieter müssen für alle baulichen Maßnahmen die Genehmigung des Vermieters einholen. Zustimmen muss dieser nur bei gängigen Projekten zur Standardanhebung wie einem Badezimmereinbau. Wohnungseigentümer können innerhalb der Wohnung Mauern aufstellen oder abreißen, wie sie es wünschen. Bei allen Maßnahmen außerhalb ihrer Wohnung benötigen sie aber die Zustimmung aller Miteigentümer.

Tipp 3

Planung. Rund zwei bis drei Monate dauert es bei größeren Umbauten vom Erstgespräch mit dem Planer bis zum Start der Arbeiten. Ein Grund: Die Erteilung der Baugenehmigung ist langwierig. Bei größeren Umbauarbeiten empfehlen Experten, sich für die Planung viel Zeit zu nehmen. Oft lassen sich durch kleine Veränderungen der ursprünglichen Idee die statischen Kompensationsmaßnahmen schon preisgünstiger durchführen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2013)

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