Man trägt wieder Schindel

Moderne Architektur greift gern auf traditionelle, regional verwurzelte Materialien zurück: Holz für Fassade, Decke, Boden. Maserung und Grauschleier? Ja, bitte.

Nicht nur traditionelle alpine Häuser sind mit Schindeln bekleidet. Im kärntnerischen Reichenfels etwa präsentiert sich auch ein neues Bürohaus in klassischer Holzschindelfassade. Die außergewöhnliche Form dieses kleinen Gebäudes war auch ein Grund, warum es mit dem Material verkleidet wurde. „Mit den kleinteiligen Schindeln konnten wir nicht nur eine zwei-, sondern eine dreidimensionale Krümmung verwirklichen,“ erzählt Architekt Gunther Koppelhuber, der den Bau plante. Zugleich ermöglichte diese Fassadengestaltung, das Haus harmonisch in den Ort zu integrieren, was nicht unwesentlich zur Akzeptanz des modernen Baus bei den Nachbarn beitrug.

Die Verwendung von regionalen Materialien liege wieder voll im Trend, weiß Doris Stiksl, Geschäftsführerin von Pro Holz Steiermark, historisch gewachsene Architektur sei stark im Kommen. „Man besinnt sich auf traditionelle, identitätsstiftende Werkstoffe wie Holz.“ Dabei können, meint Stiksl, durchaus moderne Baumaterialien und Formen mit dem klassischen Werkstoff Holz kombiniert werden. „Die Dauerhaftigkeit von Beton und der lebendige Werkstoff Holz ergeben spannende und starke Kombinationen“, befindet Architekt Koppelhuber.

Verwittern, vergrauen

Holz oder Schindeln an der Fassade ermöglichen dem Architekten außerdem, großflächige Strukturen zu gliedern, erläutert er: „Vor allem Schindeln schaffen Lebendigkeit in einer geometrisch-banalen Fläche.“ Planer schätzen die Vielfalt der Deckungsmöglichkeiten, das Spiel von Licht und Schatten auf der Fassade, aber auch Veränderungen durch die Verwitterung des Materials.Technisch lassen sich Schindeln, Holzfassaden und -verkleidungen eigentlich auf jedem Untergrund montieren. Setzt man auf das natürliche Material, sollte die dahinterliegende Dämmung ebenfalls ökologisch sein, rät Gabriele König-Gruber von der Holzbaufirma König & Gruber. Richtig ausgeführt sei eine Holzfassade äußerst langlebig, verspricht die Expertin. Die Oberfläche kann unbehandelt bleiben. Wer die klassische Vergrauung des Materials nicht mag, lässt Holz durch Lasur oder Anstrich schützen. Die Holzbaumeisterin empfiehlt Letzteres: „Beim Nachstreichen schafft man es damit leichter, wieder den gleichen Farbton zu erzielen.“

Nicht nur Holzmaserung, Lasur oder Farbe, auch der Aufbau der Holzfassade eröffne unzählige Gestaltungsmöglichkeiten, meint König-Gruber. Neben den kleinteiligen Schindeln lassen sich Bretter in verschiedensten Größen sowohl vertikal als auch horizontal verlegen, die Holzelemente können glatt aneinander oder schuppenartig aufgebracht werden – was jeweils eine charakteristische Oberflächen schafft. Ebenso lassen sich Kombinationen von Holz- und Putzfassaden realisieren. Das Lieblingsmaterial von König-Gruber ist aber die Lärche: „Es ist das klassische heimische Holz für außen und durch seinen hohen Harzgehalt sehr langlebig.“

Wellen und Schüsseln

Die Kosten einer Holzfassade liegen um etwa ein Drittel über einer Putzfassade. Noch etwas teurer sind Schindeln. Allerdings steckt in den kleinen Holzteilen viel Arbeit, wie Gerhard Beyer, Geschäftsführer der oberösterreichischen Firma Beyer Holzschindel, bestätigt. Optimal sind gespaltene und nicht gesägte Schindeln. Die teureren Spaltschindeln haben durch den Herstellungsprozess eine „wellige“ Oberfläche. „Die gesamte Deckung trocknet damit rascher aus, und die Schindeln bleiben ruhig liegen“, erklärt Beyer. Gesägte Schindeln liegen plan aufeinander, halten deshalb länger die Feuchtigkeit und können sich dadurch mitunter „aufschüsseln“. Das Spalten des Holzes ist relativ aufwendig. Zwar werden heute vielfach hydraulische Maschinen eingesetzt. Die Führung des Holzes erfolgt aber nach wie vor händisch. Außerdem kann nur ein kleiner Teil des Stammes für die Herstellung von Schindeln verwendet werden.

Maserungen und Harze

Auch drinnen liegt Holz im Trend. Wandverkleidungen, Decken und Fußböden bringen einen traditionellen, aber keineswegs rustikalen Touch ins Haus. „Sehr aktuell sind offenporige Holzoberflächen, die nicht lackiert, sondern nur gewachst oder geölt werden“, erzählt Stiksl. Beim Innenausbau sind wie bei der Holzfassade wieder lebhaftere Maserungen gefragt. „Man lässt dem Holz sein Leben, was jedes Brett zu einem Unikat macht“, so Stiksl.

Auf die Spitze getrieben wird das durch Massivholzelemente, bei denen die natürlichen Risse mit Harzen oder anderen Materialien ausgegossen werden. Wie trendig solches Holz mit natürlichen kleinen Fehlern ist, zeigt sich daran, dass Kunststoffplatten für die Küche solche Oberflächen imitieren. Aber nur optisch. An die haptischen Eigenschaften von Holz kommen solche Produkte nicht heran. Und auch nicht an dessen ökologische Vorzüge.

Was Sie beachten sollten... bei einer Schindelfassade

Tipp 1

Hinterlüftung. Optimal ist eine hinterlüftete Fassade. Die Verkleidung wird in etwas Abstand von der Wand an einer Lattung angebracht. Unten und oben lässt man Öffnungen für Zu- und Abluft frei. Oben überdeckt der Dachvorsprung die Lüftungsöffnung und verhindert das Eindringen von Regen. Durch die Konstruktion strömt Luft und sorgt dafür, dass alles trocken bleibt.

Tipp 2

Vergrauen. Schindeln und Holzbretter im Außenbereich verändern sich im Lauf der Zeit. UV-Strahlen, Regen, Schimmelpilze und Staubpartikel sorgen dafür, dass sich die Oberfläche des Naturmaterials grau bis schwarz verfärbt. Die Farbänderungen haben keinen Einfluss auf die Haltbarkeit des Holzes, viele schätzen den optischen Effekt. Verhindern lässt sich Vergrauen durch Lacke, Lasuren, Holzschutzmittel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.