Wiener Stadtentwicklungsgebiete: Lücken füllen, Brachen beleben

Atmosphärisch und konzeptionell recht unterschiedlich sprechen die neuen Viertel ihre zukünftigen Bewohner an.

Wer Gefallen an kontrastreichen Stadtbildern findet, braucht in Wien nur zur Trabrennstraße unweit der U2-Station Krieau zu kommen. Zur einen Seite hin erzeugt der Anblick vielleicht historische Wehmut: Bauzäune, verfallene Tribünen, ein graues Oval sowie ein altehrwürdiger Richterturm im Hintergrund der Trabrennbahn. Zur anderen Seite hingegen zeigt sich viel Neues und Aufregendes – Stararchitektur à la Zaha Hadid, Peter Cook oder Hitoshi Abe auf dem Campus der Wirtschaftsuniversität Wien.

Für Aufregung sorgt nun auch die Weiterentwicklung rund um das Krieau-Areal – Kritik an der Stadt Wien wurde laut, die Grundstücke zu günstig an den privaten Investor verkauft zu haben. Dass die Spielwiese der zeitgenössischen Architektur auf dem WU-Gelände und die Brache des Pferdeareals aber zu einem harmonischen Ensemble zusammenwachsen werden, davon ist Sabine Ullrich, Geschäftsführerin der IC Projektentwicklung, überzeugt. „Mit dem Campus WU ist Leben eingezogen, die Erweiterung auf der bisherigen Brache ohne Grün gegenüber ist daher logisch und sinnvoll“, so Ullrich, die für das „Viertel Zwei Plus“ verantwortlich zeichnet. Entstehen werde zwischen Messe Wien und Ernst-Happel-Stadion ein Stadtteil für Studierende, Familien, Kreative und bisherige Anrainer, der an das bestehende Quartier Viertel Zwei andockt.

Geplant sind bis 2021 rund 1000 Wohnungen auf insgesamt 80.000 Quadratmetern, dazu Schule, Kindergarten, Gastronomie- und Einkaufsflächen sowie universitätsnahe Nutzungen.

„Es wird bewusst locker bebaut – autofrei mit viel Freiraum und Grünflächen. Alternative Konzepte zum Pkw arbeiten wir mit Verkehrsexperten und der Stadt Wien aus“, betont Ullrich. In Sachen Wohnen soll das Angebot von smarten Kleinst- bis zu großen Familieneinheiten reichen. Weil Lebendigkeit laut Ullrich nur entstehen kann, wenn es ein Miteinander von studierenden Singles, Familien und aktiven Pensionisten gibt. Die Trabrennbahn samt Richterturm übrigens bleibt identitätsstiftend bestehen. „Sie wird mit dem Viertel Zwei Plus wieder näher in die Stadt geholt“, beruhigt Ullrich nostalgische Anhänger der Wiener Institution von 1878.

Alternative Mobilität steht auch im Quartier rund um Wiens aktuell größte Baustelle, dem Hauptbahnhof, im Fokus. Zumindest wenn es um die Erkundung des neuen Stadtteils geht. „Rund ums Sonnwendviertel“ heißt eine Initiative der Projektleitung Hauptbahnhof der Stadt Wien und der Gebietsbetreuung Stadterneuerung. Angeboten werden kostenlose Touren mit Guides. In zwei- bis dreistündigen Expeditionen zu Fuß oder mit Fahrrad geht es querfeldein vom Schrankenberg-Viertel über das Arsenal und die Argentinierstraße bis zum Bahnorama.

Auch abends belebt

Im Endausbau sollen im Areal 5500 Wohnungen und Platz für über 13.000 Menschen entstehen. „Hier entsteht ein Stadtviertel, das den Bogen vom Lebensraum über Unterhaltung und Kultur bis hin zu Einkaufen und Reisen spannt“, erklärt Alexandra Neumann von der Projekt-Info Hauptbahnhof. Untertags werde das Wohnen und Arbeiten durch Kindergärten und Ausbildungsstätten im Bildungscampus bereichert, die in unmittelbarer Nähe zum Wohnort liegen. „Und am Abend müssen die Gehsteige nicht hochgeklappt werden, weil das Freizeitangebot so ausgelegt ist, dass es auch zu später Stunde Menschen aus der Innenstadt in den Süden lockt“, so Neumann, die von einem charakteristischen Mix aus „Großzügigkeit und Intimität, Leistbarkeit und Extravaganz“ spricht. 2019/2020 soll das Stadtviertel fertiggestellt sein.

Gemeinsam geplant

Soziale und ökologische Nachhaltigkeit stehen im Vordergrund, wenn vom flächenmäßig größten Stadtentwicklungsgebiet der Bundeshauptstadt die Rede ist. In der Seestadt Aspern sind auf 2,4 Millionen Quadratmetern – was knapp der Größe des Bezirks Wien Innere Stadt entspricht – unter anderem 10.500 Wohneinheiten für rund 20.000 Bewohner geplant.

„Jeder für sich und manches zusammen“ ist beispielhaft das Motto einer von vielen Baugruppen, in denen die Bewohner gemeinsam planen, gestalten und so die Nachbarn bereits vor dem Einzug kennenlernen. „Regelmäßige Vernetzungstreffen in der Seestadt sind, etwa am Beispiel des Nachbarschaftstags am 23. Mai, ein Markenzeichen für gemeinsame Aktivitäten, die auch nach dem Einzug Teil der Hausgemeinschaften sein sollen“, schwärmt ein Mitglied des zuständigen Stadtteilmanagement-Teams.

Die ökologische Schwerpunktsetzung in der Seestadt unterstreicht exemplarisch der Name des im Bau befindlichen Studierendenwohnheims. Das von der Stadt Wien geförderte GreenHouse wird im Passivhausstandard errichtet. Angestrebt ist jedoch, Plusenergiestatus zu erzielen. „Ab dem Wintersemester 2015 wird das Studentenheim für 310 Personen in Betrieb gehen“, heißt es seitens des Wohnbauträgers. Bereits Ende 2014 soll mit der Bezugsgfertigkeit der ersten Wohnungen in der Seestadt urbanes Leben einziehen. Und weiterwachsen bis 2030.

Neue Wiener Wohngebiete... Beispiele

Areal 1

Verbindung von Alt und Neu. In der Erweiterung des Viertel Zwei wächst zwischen dem Messe-Wien-Gelände und dem Ernst-Happel-Stadion ein Stadtteil, der moderne Architektur und historische Bauten wie die Krieauer Trabrennbahn zu einem lebendigen Wohnviertel vereinen soll.

Areal 2

Stadt in der Stadt. Der Hauptbahnhof Wien steht im Zentrum. Das Stadtentwicklungsgebiet Sonnwendviertel ist als Stadt in der Stadt untrennbar mit der Entstehung der neuen Verkehrsstation Hauptbahnhof Wien verknüpft. Das Areal soll auch für Besucher interessant werden.

Areal 3

Soziales und Nachhaltigkeit.

In der Seestadt Aspern wird auf dem Areal eines ehemaligen Flugfelds auf Nachbarschaftspflege und ökologischen Wohnbau gesetzt. In mehreren Phasen wird Wohn- und gewerblicher Bau bis 2030 errichtet. Viele Baugruppen. Für manche ein urbanes Testfeld.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2014)

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