Mobilität: Entschleunigt zur Arbeit

Eine gute Anbindung ans öffentliche Verkehrsnetz ist für einen Bürostandort essenziell. Aber auch eine Fahrradinfrastruktur wird zunehmend berücksichtigt.

Angefangen von Coca-Cola, Danone, Kapsch AG, Loréal, Microsoft bis hin zu Nestlé – die Liste der Unternehmen, die sich in den vergangenen Jahren im Euro Plaza im zwölften Wiener Gemeindebezirk angesiedelt haben, kann sich sehen lassen. Und es dürften noch einige mehr werden. Gerade wurde Bauphase 5 abgeschlossen und sobald Bauphase 6 ebenfalls fertiggestellt ist, wird das Euro Plaza ein Flächenvolumen von über 200.000 Quadratmetern aufweisen, berichtet Claus Stadler, Geschäftsführer des zuständigen Projektentwicklers Strauss & Partner. Dass sich der Businessstandort so bewährt hat, führt er auch darauf zurück, dass er die Menschen, die dort arbeiten – und oft auch im Süden Wiens wohnen – in ihrem Mobilitätsbedürfnis unterstützt.

Kurzer Fußmarsch akzeptabel

„Eine U-Bahn-Anbindung ist die Benchmark für Unternehmen, die einen neuen Standort in Wien suchen“, so Ewald Stückler, Geschäftsführer von Tecno Office Consult. Befinde sich zusätzlich eine Straßenbahn- oder Busstation in der Nähe, so sei dies „zwar nett“, aber nicht wirklich entscheidend für die Standortwahl. Wie wichtig das Thema öffentliche Verkehrsanbindung heutzutage ist, unterstreicht nicht zuletzt die Tatsache, dass immer mehr Arbeitgeber ihre Angestellten mit kostenlosen Jahreskarten für das öffentliche Verkehrsnetz ausstatten. „Das rechnet sich für alle Beteiligten“, so Stückler. Einerseits würden die Mitarbeiter entschleunigt zur Arbeit kommen, andererseits könnten die Unternehmen dies in steuerlicher Hinsicht geltend machen.

Auch für Alexander Fenzl, Leiter Immobilienvermarktung Gewerbe bei Otto Immobilien ist eine U-Bahn-Anbindung heute ein wesentlicher Faktor bei der Standortentscheidung in einer Großstadt. Dabei sei von zentraler Bedeutung, dass sich die Station nicht zu weit vom Arbeitsplatz entfernt befinde. „Ein Fußmarsch von 400 Metern ist den Mitarbeitern aber durchaus zuzumuten“, sagt er. „Wenn der Weg ins Büro durch ein schön entwickeltes Businessviertel oder ein attraktives Umfeld führt, werden auch weitere Distanzen akzeptiert.“ Bei einem Bürogebäude an der Peripherie, wo die U-Bahn zwar in fußläufiger Distanz wäre, man jedoch an Industriegebäuden und leeren Grundstücken vorbeigehen müsse, halte sich die Begeisterung der Mitarbeiter aber sicherlich in Grenzen.

Infrastruktur als Pluspunkt

Etwas geringer ist die Toleranzgrenze laut Fenzl hingegen, wenn es um das Thema Verpflegung geht. „Mehr als 200 Meter sollte eine Kantine oder ein Restaurant nicht vom Arbeitsplatz entfernt sein.“ Einen positiven Einfluss auf einen Standort könne zudem die Nähe einer Bank, einer Apotheke oder diverser Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf ausüben. „Je mehr in der Nähe vorhanden ist, desto besser. Das steigert den Wert eines Standorts und wird von den Unternehmen auch bezahlt“, so Fenzl. In die gleiche Kerbe schlägt Stefan Höffinger, Geschäftsführer Hoeffingersolutions. „Man darf nicht vergessen, dass die Menschen heute rund ein Viertel ihres Konsums auf dem Weg zur oder von der Arbeit erledigen“, sagt er. Für Höffinger ist die Bereitschaft, in Wien auf dem Weg zur Arbeit einen längeren Fußmarsch in Kauf zu nehmen, nicht besonders stark ausgeprägt. In anderen Städten wäre man in dieser Hinsicht durchaus flexibler.

Fahrrad salonfähig

Das Gegenteil ist hingegen beim Thema Fahrrad der Fall, sagt er. Dieses Fortbewegungsmittel sei längst akzeptiert, was nicht zuletzt auch auf Bestrebungen der Politik zurückzuführen ist. Die Bedeutung des Drahtesels für den Weg zur Arbeit unterstreicht auch, dass heute bei neuen Büroentwicklungen Fahrradräume – und oft auch angeschlossene Duschgelegenheiten – mitgeplant werden. „Bei Refurbishments werden Fahrradräume ebenfalls fix eingeplant“, so Stadler.

„Heute müssen bei Projektentwicklungen verstärkt Mobilitätskonzepte berücksichtigt werden“, so Stadler weiter. Er geht davon aus, dass in dieser Hinsicht in Zukunft noch mehr Flexibilität gefragt sein wird. Parkplätze würden dagegen zunehmend an Bedeutung verlieren. „Es geht vielmehr um die Sicherstellung von Mobilität.“ Bereits jetzt gebe es Standorte – vor allem mit optimaler öffentlicher Verkehrsanbindung –, bei denen weniger Stellplätze nachgefragt werden. „Das hängt aber natürlich auch von der Unternehmensstruktur ab“, so Stadler. Viele Unternehmen wären nach wie vor sehr autointensiv – vor allem solche mit einer hohen Anzahl an Vertriebsmitarbeitern. Fenzl sieht das ähnlich: Er verweist darauf, dass viele Unternehmen von Industrievierteln in Bürocluster übersiedeln. „Solche Firmen leben eine hohe Autokultur, was auch schwer zu stoppen ist.“

PENDLERSTUDIE

Pendeln mit den Öffis kann auch gesundheitsfördernd sein: Einer aktuellen Studie des „British Medical Journal“ zufolge sind Menschen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahren, schlanker als Menschen, die sich ins Auto setzen. Männliche Bus- und Bahnfahrer waren laut Untersuchung im Schnitt um etwa drei Kilo leichter, Frauen um 2,5 Kilo. Damit unterscheiden sie sich figürlich nicht von denjenigen, die mit dem Rad oder zu Fuß zur Arbeit kommen. Die Studie wurde in Großbritannien durchgeführt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2014)

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